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EG in Anerkennungsfrage gespalten

■ Ein Brüsseler Diplomat: „Die politischen Direktoren tun, was sie können, das ist aber nicht viel“

Brüssel/Bonn (taz/apf/dpa) — Der Vatikan zeigte dem christlichen Abendland wieder einmal, wie man seine Schäfchen betreut: Bereits am Montag — zwei Tage vor Ablauf, der von der EG gesetzen Anerkennungsfrist für die jugoslawischen Teilrepubliken — teilte der Heilige Stuhl mit, er werde die katholischen Länder Slowenien und Kroatien anerkennen. Der EG hingegen gelang auch gestern kein einheitliches Vorgehen als Friedensstifterin auf dem Balkan. Nach der Bundesrepublik, die als einziges Land bereits im vergangenen Jahr vorgeprescht war, kündigte gestern mittag der dänische Außenminister Ellemann-Jensen im Alleingang an, auch Kopenhagen werde heute anerkennen. Von weiteren Mitgliedsländern werden ähnliche Schritte erwartet.

Der Sonderbotschafter aus Bonn, Hans-Peter Klaiber, wird heute wie geplant in Ljubljana und Zagreb die Protokolle für die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen unterzeichnen. Nach Angaben des Auswärtigen Amts soll mit beiden Republiken auch die gegenseitige Visa- Freiheit vereinbart werden.

CDU-Generalsekretär Volker Rühe lobte gestern noch einmal die Bonner Initiative: Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen unterstreiche die Entschlossenheit der Bundesregierung, sich für die Menschenrechte einzusetzen. Es sei wichtig, daß Bonn die EG-Partner zum Handeln gedrängt habe. Er betonte, die Anerkennung der beiden abtrünnigen Republiken richte sich nicht gegen das serbische Volk.

Während Bonn die Vorbereitungen für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen bereits abgeschlossen hatte, warteten die Politischen Direktoren der zwölf EG-Außenministerien gestern nachmittag in Lissabon immer noch auf die Stellungnahme der EG-Schiedskommission. Die mit fünf Verfassungsgerichtspräsidenten unter Vorsitz des Franzosen Badinter besetzte Kommission sollte prüfen, ob die anerkennungswilligen jugoslawischen Republiken die Bedingungen der EG erfüllen, insbesondere die Einhaltung von Menschenrechten und Minderheitenschutz sowie den Verzicht auf gewaltsame Grenzveränderungen. Erst danach wollte die EG über Anerkennung oder nicht zum Stichtag 15. Januar — heute — entscheiden. So hatten es die zwölf Außenminister am 17. Dezember in einer turbulenten Nachtsitzung beschlossen, die anschließend von Kohl und Genscher als Riesenerfolg der deutschen Außenpolitik gefeiert wurde.

Die mühsam erreichte gemeinsame Position der Zwölf droht jetzt auseinanderzubrechen. Statt gemeinsam die Anerkennung auszusprechen, werden die EG-Staaten zumindest in bezug auf Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien ein unterschiedliches Vorgehen an den Tag legen. Diplomaten rechnen damit, daß sehr bald Italien, Belgien und Luxemburg wie bereits angekündigt Slowenien und Kroatien anerkennen werden. Frankreich und Großbritannien zeigen sich dagegen zumindest mit Blick auf Kroatien noch zögerlich.

Außerhalb der EG hatten sich besonders die USA zurückhaltend zu einer schnellen Anerkennung der jugoslawischen Republiken geäußert. Die österreichische Regierung hatte angekündigt, sie werde sich der EG- Politik anschließen, sobald diese von „einigen Länden“ realisiert würde. Doch trotz dieser Absichtserklärung von Konservativen und Sozialdemokraten entbrannte gestern in Wien ein ernster Koalitionsstreit über die Anerkennungsfrage.

Bei Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien erwarten Beobachter Probleme. Im Falle Kroatiens sind in der Verfassung und den Gesetzen des Landes zwar Klauseln zum Schutz der Minderheiten vorgesehen. Diese Garantien sind jedoch wegen des Bürgerkrieges nicht umgesetzt. Für Bosnien-Herzegowina fürchten Diplomaten bei einer schnellen Anerkennung neuen Sprengstoff für das sensible Gemisch aus kroatischen, serbischen und moslemischen Bevölkerungsgruppen. Gegen eine Anerkennung Mazedoniens sperrt sich Griechenland, dessen Premierminister Mitsotakis eine hektische Reisetätigkeit durch die Hauptstädte der EG-Länder begonnen hat, um vor einer Anerkennung Mazedoniens zu warnen (vgl. S. 8).

Angesichts dieser Situation erwarteten EG-Diplomaten auch von dem Treffen in Lissabon kein Ende der Unstimmigkeiten in der EG. „Man wird nicht allzusehr in die Richtung einer gleichzeitigen Anerkennung durch die Zwölf drängen“, sagte gestern ein Diplomat in Brüssel. „Die politischen Direktoren tun, was sie können, das ist aber nicht viel.“

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