: Irak kann weiter an der Bombe bauen
Irakische Einrichtungen für das Atomwaffenprogramm wurden doppelt erbaut/ Anreicherung weiter möglich ■ Aus Genf Andreas Zumach
Konfrontiert mit neuen Dokumenten über bundesdeutsche Zulieferungen hatte die irakische Führung am Montag gegenüber Inspektoren der UNO erstmals eingeräumt, vor dem Golfkrieg eine große, vollständige Urananreicherungsanlage zur Atomwaffenherstellung gebaut zu haben. Bislang hatte Bagdad entsprechende Vorwürfe immer bestritten und lediglich die Existenz eines Forschungsprogramms eingeräumt. Überdies versicherte die Führung in Bagdad den Inspektoren, die aus hintereinander angeordneten Gaszentrifugen bestehende Anreicherungsanlage sei inzwischen vollständig zerstört. Nach Angaben des bundesdeutschen Atomphysikers David Dorn, Mitglied der UNO-Kommission zur Überwachung und Zerstörung der irakischen Massenvernichtungsmittel, hat der Irak bis zu 10.000 dieser Gaszentrifugen produziert. Doch nach Informationen der taz hat die UNO-Kommission handfeste Indizien dafür, daß eine zweite Anreicherungsanlage existiert und der Irak künftig in der Lage ist, auch ohne Zulieferung von Materialien und Know-how aus dem Ausland diese Anlage zu betreiben beziehungsweise weitere zu bauen. Das Eingeständnis vom Montag — so wird befürchtet— habe möglicherweise lediglich der Ablenkung dienen sollen.
Nach allen der Kommission bislang vorliegenden Erkenntnissen wurden sämtliche Teile und Einrichtungen des irakischen Atomwaffenprogramms — darunter auch die Anreicherungsanlage — doppelt an jeweils verschiedenen Orten angelegt. Diese Maßnahme erfolgte nach der Zerstörung eines irakischen Atomreaktors durch die israelische Luftwaffe Anfang der 80er Jahre. Ein Indiz: Die UNO-Inspektoren fanden bei ihrer letzten Reise in den Irak zu 96 Prozent angereichertes und damit atomwaffenfähiges Uran vor. Dieses Uran — so heißt es in der UNO-Kommission — könne jedoch nicht aus der von Bagdad eingeräumten ersten Anreicherungsanlage stammen, da mit dieser wegen einer Reihe technischer Unvollkommenheiten noch kein so hoher Anreicherungswert hätte erzielt werden können.
Nach den Erkenntnissen der UNO-Kommission hat es sich bei den Zulieferungen aus der Bundesrepublik und anderen Staaten nicht um isolierte Aktionen einzelner Firmen gehandelt. Spätestens seit 1989 habe ein systematisch angelegtes Netz der Beschaffung ausländischen Know- hows, Materialien und Anlagen für das irakische Atomwaffenprogramm gegeben. Im Rahmen dieses Netzes wurden Experten bundesdeutscher und anderer Firmen gezielt abgeworben. Unternehmen — wie etwa die bundesdeutsche H&H Metallform Maschinenbau und Vertriebs GmbH — lieferten nicht nur ihre eigenen Produkte, sondern unterstützten die irakische Führung auch mit gezielten Hinweisen auf andere Firmen und Experten, die für das Atomwaffenprogramm von Nutzen sein konnten. Dank dieser umfassenden Unterstützung ist der Irak nach Einschätzung der UNO-Experten heute in der Lage, selbst die im Golfkrieg oder seitdem zerstörten Teile seines Atomwaffenprogramms innerhalb von zwei bis drei Jahren wieder aufzubauen — mit eigenen Spezialisten. Das vor allem von bundesdeutschen Firmen gelieferte Know-how ist im Irak nach wie vor vorhanden und kann von den Irakis selber beziehungsweise auch von neuerdings von Bagdad unter Vertrag genommenen Firmen anderer Länder genutzt werden.
Um den Wiederaufbau und den weiteren Ausbau des irakischen Atomwaffenprogramms effektiv zu verhindern, müsse man eigentlich alle irakischen Spezialisten in Einzelhaft setzen, bringt ein Bonner Regierungsvertreter das Problem auf den Punkt. Bundesdeutsche Firmen haben sich bereits darüber beklagt, daß sie für das irakische Wiederaufbauprogramm kaum mehr von Interesse sind.
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