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Clownpower!!!

■ Jango Edwards im Quartier Latin

Die Bühne besteht aus einer Wolkenkratzerkulisse, und der Abend beginnt rockig mit dem Auftritt der exzellenten »Little Big Nose Band«. Die Musiker tragen Kostüme, die auch Hochhäuser darstellen, mit beleuchteten Fensterchen. Jango Edwards erscheint singend als Entertainer im Glitzerfrack und sonnenbebrillt. Er tanzt slapstickartig, was das Zeug hält, und kündigt nebenbei das Programm auf altertümlichen Plakaten an, die natürlich alle Fälschungen sind.

In der ersten Nummer spielt er eine gealterte Stewardess, die ganz und gar nicht mit den mordverdächtigen Apparaturen (wie Sicherheitsgurte ohne Öffnungsmechanismus oder einer Sauerstoffmaske aus dem Zweiten Weltkrieg ohne Verbindungsschlauch) zurechtkommt. Durch das Betätigen des falschen Zippers verwandelt sich die Überlebensweste in ein überdimensionales Schlauchboot und ohne die Möglichkeit, die Luftzufuhr zu stoppen, in einen Ballon. Es folgt ein Schlangenbeschwörer namens Ali, der mehr als nur ein wenig Mühe mit seinem Tier hat. Ali stößt arabische Flüche aus und wird schließlich von der imaginären Schlange in einen Stripteasetänzer verwandelt.

Der große spanische Hypnotiseur Weirdo Gonzales (im Torerokostüm) führt nach einigen kläglichen Beweisen seiner Kunst eine Selbstoperation durch. Er entnimmt sich das Herz und gibt die Arie »Ich schenke dir mein Herz« zum Besten. Nach einer Einlage der Musiker als »Hamknockers« (Fleischklopfer) — womit Geräusche gemeint sind, die der eigene Körper hervorbringt — folgt ein Trucker aus den USA, der bierpichelnd über den Alkoholismus philosophiert.

Nach der Pause hat sich das bisher eiskalte und verklemmte Publikum etwas aufgelockert, so daß Jango Edwards endlich eine reelle Chance für seine Botschaft des befreienden Lachens bekommt. Er zeigt mit dem »Klassiker« des kindlichen Chefkochs, der die für den Topf bestimmte Taube aus Liebe wegfliegen läßt, die anrührendste Szene des Abends. Als Kontrast erscheint er daraufhin als Hardrock-Sänger mit übergroßer Penisprothese und liefert als Trottel in der Bibliothek eine absolut überragende Clownsnummer, die nur mit Mimik, Gestik und überlauten Geräuschen spielt. Ein geniales Kunststück! Eine etwas mißglückte (weil mit der deutschen Sprache operierende) fiese-alte-Oma-im- Park-Szene und weitere Songs im »Mister Energy«-Kostüm beenden dieses Programm.

Jango Edwards, der seit fast zwei Jahrzehnten mit seiner »Little Big Nose Band« durch die Lande tourt, zeigt durch phantasievolle Verwandlung in schillernden Kostümen und überzeugender Slapstickkunst, daß er noch immer einer der ganz großen Clowns dieser Zeit ist. Doch der Elan und die Spontaneität früherer Zeiten sind dem Anspruch an eine bis ins Detail ausgefeilte und mit neuester Technik versehene Show gewichen: trotz guter, lauter Musik, bunten Kostümen und schrillen Gags, die hundertprozentiges Können beweisen, erreicht er die — in Berlin vielleicht besonders kulturverwöhnten und übersättigten — Menschen kaum. Seine Botschaft des Lachens mit Namen »Clownpower« scheint nicht gerade auf offene Herzen zu stoßen. Und auch manche der neuen Szenen des »Holy Moly«-Programms wirken jetzt schon abgenutzt und nur wenig witzig, so daß man nostalgisch auf die Shows früherer Zeiten zurückblickt.

Doch Jango Edwards ist noch immer einer der liebenswertesten Clowns dieser Welt und in seinem Handwerk unübertroffen. Man wünscht ihm ein Publikum, das dies auch zu schätzen und zu genießen weiß. Aber vielleicht zeigt sich gerade auf diesem Weg die wohlbekannte Tragik jedes Clowns. York Reich

Weitere Aufführungen: nur noch am 17., 18. und 19. Januar um 20 Uhr im Quartier Latin, Potsdamer Straße, Schöneberg.

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