piwik no script img

WAR DER MÄRCHENFROSCH ANDROGYN? Von Werner Pieper

Nach seiner Utopie der Menschheit befragt, antwortete mir der Sexualforscher Ernest Bornemann, die logische Weiterentwicklung des Menschen läge in der Zweigeschlechtlichkeit. Ursula LeGuin hat zu diesem Thema einen sehr anregenden Science-fiction-Roman geschrieben (The left hand of darkness). Doch warum in die literarische Zukunft schweifen, es gibt schließlich auch Wesen auf unserem Planeten, für die Zweigeschlechtlichkeit tägliche Realität ist.

Bislang wußte man dies von rückgratlosen Tieren wie Seesternen, Pantoffelschnecken, der amerikanischen Auster und Nordseegarnelen. Nun aber wurde in Würzburg das erste Wirbeltier mit zweigeschlechtlichen Anlagen entdeckt.

Keine Bange Herr Bischof, natürlich handelt es sich dabei nicht um einen Würzburger — ein deutscher Frosch tut so etwas nicht — sondern um einen ausländischen Gast: den afrikanischen Kreideriedfrosch, für den Lateiner „Hyperolius viridiflavus ommatosticus“. Sein afrikanischer Originalname ist mir nicht bekannt. Dafür weiß ich die Namen der deutschen Frosch-Forscher, nämlich Grafe und Linsenmair.

Diese beiden aufmerksamen Biologen beobachteten als erste in ihrem Labor die Geschlechtsumwandlung der Kreideriedfrösche. „Wir haben gesehen, daß die Tiere anfingen, sich etwas umzugestalten und im Verhalten zu ändern. Dabei begannen sie zu singen, aber es war im Anfang sehr unvollkommen, weil die Schallblase noch gar nicht fertig ausgebildet war. Tiere, die zu singen anfingen, hatten teilweise noch Eierstöcke und auch schon Hoden. Dabei wandelten sich die weiblichen Geschlechtsorgane direkt in männliche um.“

Nun wollen anscheinend nicht alle Fröschinnen auch Frösche werden. Von den 24 Quakern wechselten sieben die sexuelle Front. Dieser Vorgang dauerte individuell unterschiedlich zwischen drei und 75 Tagen.

Den Auslöser für dieses Sexchange spielt dabei anscheinend das Geschlechtsverhältnis im Terrarium. Waren zu Anfang eines Versuches nur wenige Männchen anwesend, wechselte ein Teil der Frauchen das Geschlecht. Bei einem hohen Männlichkeitsanteil jedoch verharrten dieselben in ihrer angestammten Rolle.

Kollege Grafe wollte es nun genau wissen und reiste nach Afrika. Er verbrachte drei Monate in Simbabwe, der ursprünglichen Heimat dieser interessanten Frösche. Leider blieb es ihm jedoch verwehrt, Zeuge einer Geschlechtsumwandlung im Dschungel zu werden. Naja, es ist halt auch kein einfacher Job, durchs Unterholz zu robben, um jene Schnippchen zu beobachten, die die Evolution uns Pflanzen und Tieren schlägt.

Diese neue Entdeckung hat aber auch noch eine ganz andere Auswirkung. Sämtliche Märchen, in denen Frösche vorkommen, müssen nun völlig neu interpretiert werden. Denn es könnte durchaus sein, das der Märchenfrosch androgyn war. Merke also: Wenn Du ein Prinz bist und einen Frosch siehst, küß ihn, es könnte eine „sie“ sein. Oder werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen