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Bröckelndes Denkmal gegen Kotzbrocken

■ Der in die Jahre gekommene Segelheld Dennis Conner und der Öl-Milliardär Bill Koch ermitteln vor San Diego den Verteidiger des America's Cup, der prestigeträchtigsten Segeltrophäe der Welt

Berlin (taz) — Alle vier Jahre das gleiche Spielchen: Journalisten werden mit Harpunen gejagt, Unterwasser-Kameras, gekoppelt mit einem Alarmsystem, sollen Eindringlinge abschrecken, und schwer bewaffnete Wächter stehen bereit, um allzu wissensdurstige Sportspione, die die neuesten Segelyacht-Kreationen vorzeitig enttarnen wollen, abzuführen. Das Spiel heißt America's Cup, und es geht um die prestigeträchtigste Segeltrophäe dieser Welt. Seit vergangenem Mittwoch wird wieder um den 38 Zentimeter hohen, 555 Gramm schweren Pokal aus Sterlingsilber gesegelt — die Veranstalter versprechen das größte Medienspektakel des Jahres nach Super Bowl und Olympia.

Damit man diesem Anspruch gerecht werden kann, hat man sich eine Menge einfallen lassen. Hauptsache dabei ist, daß es kostenintensiv ist. Bei der 28. Auflage des Cups wird vor San Diego gesegelt. Dahin hatte Dennis Conner den Pokal 1987 zurückgeholt. Nach der Schmach, den Pott 1983 als erster Amerikaner nach einer Siegesserie von 137 Jahren an die Australier verloren zu haben, war er wieder der strahlende Sieger, und in einem Buch feierte sich der Teppichhändler als „Amerikas neuer Held“.

Doch aus dem Helden ist auch in dieser Geschichte eine tragische Figur geworden. Der 48jährige Conner muß zur Zeit in den USA vor allem für bösartige Glossen herhalten. Freudig breitgetreten werden vor allem die Alkoholkrankheit des dreifachen America's-Cup-Gewinners und seine Schulden; „Freunde“ sprechen von 37 Millionen US-Dollar. Dazu kommt, daß Conner nicht mehr das feine Händchen an der Pinne hat, das ihn mal auf Siegeskurs gebracht hat. Deutlich wurde das vor allem beim World-Yachting-Grand-Prix, einer vierteiligen Serie auf Formel- 1-Yachten. Dort konnte seine Profi- Crew zwei Regatten gewinnen, als der Chef nicht an Bord war. In Kiel nahm der Boß das Ruder selbst in die Hand und versank in der Bedeutungslosigkeit der hinteren Plätze. Für den Cup hat er sich deshalb einen Ersatzmann an die Pinne geholt, der bei den Regatten weitgehend steuern soll: den Olympiasieger von 1984 im Finn Dinghy, John Bertrand.

Die meiste Freude bereiten Conners Probleme und Unzulänglichkeiten einem 51jährigen texanischen Öl- und Chemie-Milliardär. Bill Koch heißt die Ostküstenhoffnung in Sachen Cup-Verteidigung. Während Conner mit einem einzigen Schiff, der „Stars and Stripes“, und einem Etat von rund 40 Millionen Dollar auskommen muß, protzt Koch mit fünf Booten, fünfzig Profiseglern und 200 Millionen Dollar Einsatz, die durch 33 Sponsoren gedeckt werden. Aber Koch ist auch der Kotzbrocken der Segelsportnation. Ganz nach Dallas-Manier übernahm er insgesamt drei Syndikate, trickste den Franzosen Marc Pajot aus, überwarf sich mit seinen leitenden Angestellten und Steuerleuten und prügelt auch schon mal Fernsehjournalisten. Wenn ihm dann noch Zeit bleibt, nörgelt er am Cup-Reglement herum oder läßt extra für Fernsehteams eines seiner alten Boote zerschlagen, um zu beweisen, daß die America's- Cup-Klasse gar nicht stabil genug ist. Ehrlich bekennt er: „Der America's Cup ist ein Riesenspaß für mich.“ Beim Kampf gegen Conner in der US-Ausscheidung, die in vier Serien ausgesegelt wird, gewann seine „Defiant“ die erste Wettfahrt, doch Conner schlug zurück und hängte Kochs „Jayhawk“ am zweiten Tag locker ab.

Am 25.Januar starten auch die Rennen der Herausforderer. Diesmal gibt es auf dieser Seite so viele Syndikate wie nie zuvor. Insgesamt zwölf Boote aus zehn Nationen treten an. Möglich wurde diese Vielzahl von Teilnehmern durch die Einführung eines neuen einheitlichen Bootstyps: der 24 Meter langen IACC-Klasse. Die Syndikate hofften, daß so alle mit den gleichen technologischen Problemen zu kämpfen hätten. Das stimmte auch, aber in der Bewältigung gab es dann doch erhebliche Unterschiede: Das russische Red-Star-Syndikat ging mit 13 Millionen Dollar ins Rennen, der Italiener Raul Gardini ließ sich den Spaß immerhin 150 Millionen kosten. Mit seinen Yachten „Il Moro de Venezia“, Nummer 1 bis 5, gehört Gardini zu den Favoriten bei den Herausforderer-Regatten, die im Louis- Vuitton-Cup zusammengeschlossen sind. Der zweite hochgewettete Segler ist Chris Dickson, der Segellegionär. Er startet mit einer australisch- neuseeländischen Crew unter japanischer Flagge. Damit das funktioniert, nahm Dickson sogar die japanische Staatsbürgerschaft an.

Der Cup findet auch in diesem Jahr wieder weitgehend ohne deutsche Beteiligung statt. Die deutsche America's-Yacht kenterte schon vor der Kiellegung. Niemand konnte in Deutschland potentielle Sponsoren von einem Erfolg des Cup-Abenteuers überzeugen. In Hamburg dümpelt zwar noch ein deutscher America's-Cup-Verein vor sich hin, der ist aus Geldmangel aber weitgehend zur Untätigkeit verdammt. Mit dabei vor San Diego ist dafür der Helgoländer Ralf Steitz. Der gelernte Segelmacher schwingt als Grinder auf der „Stars and Stripes“ von Dennis Conner die Kurbel. Und, gelernt ist gelernt, hat er nebenbei noch eine Segelmacherei. Denn das Geld, das von Conners Millionen für die Crew übrigbleibt, reicht zum Leben bei weitem nicht.

Auch die Herausforderer segeln insgesamt vier Serien. Am 9.Mai beginnt dann vor San Diego der Showdown. Der Gewinner der Verteidigerserie und der Sieger im Louis- Vuitton-Cup kämpfen um einen Pokal, der einen Materialwert von rund 22.000 Dollar hat — der Einsatz für das Spiel betrug bis dahin weltweit rund 900 Millionen US-Dollar. -ank-

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