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Neuster Schrei — Western Style

■ Grüne Woche präsentiert auf Sonderschau neue Perspektiven für landwirtschaftliche Betriebe

Wenn Sie Ihren Schweinestall schon immer zu einer Ferienwohnung umbauen, sich ein Leasing-Huhn zulegen und auf dem Rücken eines Pensions-Pferdes im Westernstil das Berliner Umland erkunden wollten — dann nichts wie hin zur Grünen Woche. Auch wenn der Weg durch das Menschengewühle in den überhitzten Ausstellungshallen eine Zumutung ist — nur keine Panik. Die Sonderschau mit dem scheußlichen Titel Kunden- und gästefreundliche Tierhaltung in der Halle 25 können Sie nicht verfehlen. Spätestens wenn Ihnen ein angenehm kühler Misthauch in die Nase weht und der Schwanz eines großen Rindviechs um die Ohren fliegt, werden Sie wissen: Hier bin ich richtig.

Die Ausstellung soll Anregungen dafür geben, wie sich die Landwirtschaft »weg vom Produktionsfetischismus« zu einem Dienstleistungsbereich für den Verbraucher und Urlauber entwickeln kann, erklärt Projektreferent Frohnmeyer. Der Direktverkauf vom Hof von Fleisch, Milch, Honig, Eiern, Obst und Gemüse, aber auch die Ferien auf dem Bauernhof könnten den bedrohten Betrieben im Umland neue Einkommensquellen erschließen. In den alten Bundesländern haben schon viele landwirtschaftliche Betriebe Stallungen zu Ferienwohnungen ausgebaut und erzielen daraus so wie der Bauer Voigt aus Verden 30 Prozent ihrer Einnahmen. Ganz neu ist demgegenüber das »Hühner-Leasing«, das ein anderer Bauer aus Niedersachsen vorstellt: Der Verbraucher kann sich für 99 DM ein Huhn leasen und bekommt gegen Vorlage der Urkunde 300 Eier im Jahr.

Das größte Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde: Daß das Reiten ein zukunftsträchtiger Markt ist, hat schon eine Umfrage im Jahr 1990 in den alten Bundesländern gezeigt. 1,8 Millionen Menschen sind begeisterte Reiter, und in der ehemaligen DDR war es vielerorts sogar ein regelrechter Betriebssport. Nach der Wende konnten sich die Betriebe den Unterhalt der Tiere nicht mehr leisten und verkauften sie zu Dumpingpreisen. Diverse Bauernhöfe rund um Berlin haben inzwischen auf Reiterhöfe umgesattelt. Das Angebot: Reiterferien, Kutsch- und Kremserfahrten. Bei Brigitte Behrend in Schwanebeck bei Bernau, 35 Kilometer vor Berlin, können Kinder für 40 Mark bei Vollpension Reiterferien auf einem richtigen Bauernhof machen. Wer es ganz dicke hat, kann sein eigenes Pferd, so wie bei dem Pferdezüchter Bernd Krehel in Dosse, 45 Kilometer vor Berlin, auch in Pension geben. Die Boxe mit Auslauf, Fütterung und Bewegung kostet im Monat zwischen 300 und 500 Mark.

Der neuste Schrei in der Ex-DDR heißt jedoch Westernstil. Der Westernstil, der in den alten Bundesländern schon viele Fans gefunden hat, ist Hunderte von Jahren alt und kommt ursprünglich aus Spanien von den Viehtreibern, die beim Reiten eine Hand zur Arbeit frei haben mußten. Mit den Eroberern wurde der Westernstil samt der dazugehörigen Pferde, eine sehr zutrauliche, verläßliche Rasse, nach Amerika exportiert. Zwei Pferde der Rasse Appaloosa, die eine ungewöhnliche Fellzeichung haben, können auf der Sonderschau in der Halle 25 bestaunt werden. »Westernstil ist eine alternative Bewegungsform zum klassischen Reiten« erklärte der Züchter aus Lüneburg, Christoph Lesch. Der »naturverbundene Stil«, der auch mit anderen Pferden gelernt werden könne, entspanne Pferd und Reiter. Das Pferd werde einhändig am lockeren Zügel, fast ohne Schenkeldruck geführt und reagiere nur auf bestimmte Impulse.

Das Interesse an Westernpferden in den neuen Bundesländern sei sehr groß, sagt Züchter Lesch. Das Problem ist nur, das die original amerikanischen Pferde, »der Stolz der Indianer«, in der Anschaffung mit 12.000 bis 15.000 Mark fast unerschwinglich sind. plu

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