piwik no script img

Hamburger Immobilien-Pech in Berlin

■ Hansestadt verkaufte Berliner Domizil vor vier Jahren für einen Spottpreis/ Heute ist das Grundstück am Potsdamer Platz ein Mehrfaches wert

Hamburg/Berlin (dpa) — Der Hamburger Senat wird bei seinem Grundstücksgeschäft in Berlin einen Verlust in zweistelliger Millionenhöhe machen. Das ist knapp vier Jahre nach dem Verkauf des Hamburger Domizils im alten Diplomatenviertel klar. Gut ein Jahr vor dem Fall der Berliner Mauer trennte sich die Regierung der Hansestadt unter der Führung von Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) von dem scheinbar nutzlosen Gelände im ehemaligen Berliner Diplomatenviertel, das über zwei Jahrzehnte für eine Landesvertretung Hamburgs in Berlin reserviert worden war.

Im Mai 1988 glaubte kaum jemand im Hamburger Rathaus daran, daß die deutsche Einheit überhaupt noch einmal kommen wird. Die Geschichte lief bekanntlich anders: Berlin ist heute Hauptstadt, und Hamburg steht ohne Domizil dar. Nach dem heutigen Stand muß die Hansestadt etliche Millionen zuzahlen, um wieder einen Koffer in Berlin abstellen zu können.

Beim Verkauf im Mai 1988 kassierte Hamburg für das 3.349 Quadratmeter große Gelände in der Köbisstraße 6-8 im Bezirk Tiergarten gut zwei Millionen Mark, das entspricht 600 Mark pro Quadratmeter. Bedenkt man, daß Hamburg 1965 nur rund 200.000 Mark für das Grundstück bezahlt hatte, schienen die Hanseaten ein lukratives Geschäft gemacht zu haben. Doch nach dem Fall der Mauer schnellten die Grundstückspreise astronomisch in die Höhe. Ein Quadratmeter am Potsdamer Platz hat zur Zeit einen Marktwert von etwa 10.000 Mark, im alten Diplomatenviertel kostet er 7.000 Mark.

Gleich nach Maueröffnung bemühte sich Dohnanyis Nachfolger Henning Voscherau, das Gelände zurückzubekommen. Im Herbst 1990 bot der damalige Berliner Bürgermeister Walter Momper (SPD) seinem Parteifreund Voscherau an, er könne das Gelände für 1.600 Mark pro Quadratmeter zurückhaben. Doch der gelernte Notar Voscherau lehnte die Offerte brüsk ab: „Spekulation ist für mich keine Verhandlungsgrundlage“, grollte er. Er wollte nicht einsehen, daß Hamburg innerhalb von zwei Jahren gut drei Millionen Mark mehr auf den Tisch legen sollte und ließ den bereits ausgehandelten Rückkaufvertrag in letzter Minute per Fax platzen.

Dies dürfe einer der teuersten Telebriefe gewesen sein, der je verschickt worden ist, da die Momper- Offerte im Rückblick geradezu als Super-Schnäppchen gesehen werden muß. Hamburg hatte damals die Chance, das Gelände für gut fünf Millionen Mark zurückzuerhalten. Experten gehen davon aus, daß das Grundstück heute rund 20 Millionen Mark wert ist.

Oppositionsabgeordneten in Hamburg, die sich nach dem Stand der Rückkaufverhandlungen erkundigen, teilt der Hamburger Senat beschwichtigend mit, der Hansestadt sei bei dem Geschäft kein Schaden entstanden. Bürgermeister Eberhard Diepgen habe Hamburg „eine unverzügliche Übertragung des ehemaligen hamburgischen Grundstücks“ zugesagt. Doch der eigentliche Sachverhalt ist komplizierter.

Die Haushaltsordnung verpflichtet den Berliner Senat, sich bei Grundstücksverkäufen am Marktwert zu orientieren. Gutachten über den Wert dürfen nicht älter als ein halbes Jahr sein, weiß der Sprecher des Berliner Finanzsenators, Thomas Butz. „Hamburg hat da ausgesprochenes Pech gehabt. Aber man hätte sich ausdenken können, daß die ganze Geschichte um so teurer wird, je länger man wartet.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen