piwik no script img

Schönberger Eiszeitbarriere im Kopf

■ Neue Hinweise zeigen: Giftmülldeponie unsicher/ Grüne fordern Rücktritt von CDU-Staatssekretär in Schwerin

Lübeck (taz) — Im ehemaligen Todesstreifen zwischen Lübeck und Europas größter Giftmülldeponie Schönberg haben Bürgerinitiativen und Lübecker Grüne jetzt ein stillgelegtes Nazi-Wasserwerk entdeckt. Doch die Ruine reizt nicht vor allem als Gegenstand historischer Exkursionen, sie signalisiert große Gefahr für Lübecks Trinkwasser.

Wenn an der Stelle im Todesstreifen nämlich Wasser für einen Rüstungsbetrieb gefördert werden konnte, gehört die dort angenommene eiszeitlichen Barriere von 160 Meter Mächtigkeit ins Reich der Legende. Aus solchen Barrieren kann kein Wasser gefördert werden. Ohne Barriere fehlt aber der Schutzwall zwischen Lübecks Grundwasser und der Giftmülldeponie — akute Gefahr also. Von einer Stasi-Legende, an der westdeutsche Stellen mitgestrickt haben müßten, sprach denn auch der Lübecker Grüne Günther Wosnitza. Zwar taucht das von den Nazis zur Versorgung von Rüstungsbetrieben gebaute Wasserwerk nicht in den Karten auf, es sei jedoch mehr als unwahrscheinlich, daß westliche Stellen von seiner Existenz nichts gewußt haben.

Kritische Fragen muß sich nun vor allem der CDU-Politiker Peter Uwe Conrad gefallen lassen. Als Leiter der Abteilung Umweltschutz im schleswig-holsteinischen Landwirtschaftsministerium war er es, der zu Barschels Zeiten die vermeintliche Eiszeitbarriere vor Gericht ins Feld führte, um Klagen gegen den Transport von Giftmüll nach Schönberg zu begegnen. Heute ist Conrad Staatssekretär im Umweltministerium von Mecklenburg-Vorpommern, der Aufsichtsbehörde für die Deponie. Klaus-Dieter Feige, Bundestagsabgeordneter von Bündnis90/ Die Grünen in Mecklenburg- Vorpommern, bezeichnete den Rücktritt von Conrad nach diesen Informationen als unumgänglich.

Doch auch im Bundesumweltministerium müßten eigentlich Köpfe rollen. Dort weiß man seit geraumer Zeit, daß die Existenz der eiszeitlichen Barriere keineswegs gesichert ist. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover hatte das Ministerium bereits im November 1988 in einem Gutachten zur hydrogeologischen Situation im Raum Schönberg darüber informiert. Auf der Basis von geheimgehaltenen DDR-Gutachten belegten die Hannoveraner Wissenschaftler außerdem, daß das Schönberger Grundwasser nicht nach Norden, sondern nach Westen — also gen Lübeck fließt. Kai Fabig

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen