piwik no script img

Hohe Wellen wg. Brücke und Beil

■ „Welle“-Kneipier pokert mit der Stadt um Ankerplatz und Schadenersatz

Es war im März 1991. Da stand plötzlich ein Mann auf dem schwankenden Boden der „Welle“ und eröffnete dem Besitzer: „Wir haben eine freudige Überraschung. Wir verlegen ihr Schiff um 20 Meter.“ So erinnert sich jedenfalls Peter Heiss, Besitzer des einzigen Bremer Kneipenschiffs. Weil aber Heiss partout nicht freudig überrascht sein wollte, hat sich seitdem ein regelrechter Kleinkrieg zwischen der Behörde und dem Gastronomen entwickelt.

Denn dort, wo Heissens Welle seit nunmehr 15 Jahren vor sich hindümpelt, soll bis 1993 der große Fußgänger-Brückenschlag zwischen Teerhof und Schlachte vollzogen sein. Wo eine Brücke aufsetzt, kann kein Schiff liegen, also soll die Welle ein paar Meter Richtung Martinianleger verschleppt werden. Doch Heise besitzt ein wichtiges amtliches Dokument, einen unbefristeten Nutzungsvertrag mit dem Bund. Der ist als Herr über die Bundeswasserstraße Weser auch Herr über den Dauerankerplatz.

Nun ist Heise zwar „überhaupt nicht gegen die Brücke“, aber doch sehr gegen Beeinträchtigungen für seine schwimmende Kneipe. Wer will schon auf einem Sonnendeck Bier schlürfen, wenn nebenan Bauarbeiter mit schwerem Gerät 'rumrammen? Und wer will, wenn die Brücke dereinst fertig ist und des Nachmittags auf die Welle ihren Schatten wirft, wer will dann dort Eis essen? Zumal ein Brückenrestaurant mit 200 sonnigen Plätzchen geplant ist.

Also begann Heiss den Poker mit der Behörde. Aber die bot nur 100.000 Mark, „a bißerl wenig“, befand der Österreicher. Da die Verhandlungen über andere Liegeplätze kläglich scheiterten, schlug die „Welle“ ihre Wogen gar bis in die Bürgerschaft. „Da ham's herablassend über mi geredet“. Und weil Heiss so etwas nun gar nicht mag, war von da an Funkstille.

Bis zum Montag. Da, erzählt Heiss, klingelte bei ihm das Telefon und ein Anwohner meldete, daß sich ein verdächtiges Subjekt auf der Welle herumtriebe. „Als ich da ankam, stand da ein kräftiger Mann und wollte mich nicht auf mein Schiff lassen.“ Der Herr war vom Bau und wollte die Leinen für ein Holzfloß, von dem aus die neuen Befestigungspfähle gerammt werden sollten, an der Welle vertäuen. „Und wie er mich gegen das Geländer geschmissen hat, hab' ich ihn weggedrückt. Und dann kamen ein paar Tropfen Blut.“ Und weil Heiss „aus Sicherheitsgründen“ in der Regel ein Beil bei sich trägt, stand dann im Weser-Kurier, er habe den Mann mit dem Beil im Gesicht verletzt. „So a Schmarrn“, sagt Heiss, und das bestätigt auch die Polizei.

Und was nun? Zwar sind die Gerichte bereits eingeschaltet, doch Heiss und wohl auch die Behörde wollen jetzt wieder miteinander reden. „Aber das kann noch Jahre dauern“, pokert der Österreicher. Und dabei hat er, je länger das Spiel dauert, umso bessere Karten: Denn wenn die Brücke zum Teerhof nicht bis 1993 fertig ist, dann droht der Stadt eine millionenschwere Vertragsstrafe gegenüber der Teerhof-GmbH. hbk

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen