: Anderthalb Jahre nichts als Ärger
■ Motorrad-Auszubildende lehnte Annäherungsversuche ihres Chefs ab und wurde gefeuert
Kreuzberg. Wenn eine weibliche Untergebene am Arbeitsplatz sexuelle Annäherungsversuche ihres Chefs zurückweist, hat sie unter Umständen noch monatelang, als sei sie Täterin und nicht Opfer, unter den Konsequenzen zu leiden. Einen besonders krassen Fall erlebte die 30jährige »Malou« Birgit U., die von September 1989 bis April 1991 in einer kleinen Kreuzberger Motorradwerkstatt als einzige weibliche Auszubildende arbeitete und vor Gericht ziehen mußte, um ihren letzten Lohn und ihre Arbeitspapiere zu erhalten.
Im September 1990, so berichtet sie, habe ihr Chef sie gefragt, ob sie zu zwei Messen in Frankfurt und Köln mitfahren wolle. Nachdem sie zuerst erfreut zusagte, habe er ihr dann aber eröffnet, die Hotels seien ausgebucht, sie solle doch die zehn Tage lang mit ihm zusammen im Wohnmobilteil seines LKWs schlafen. »Dieses unverschämte Angebot« habe sie jedoch abgelehnt und sei nicht mitgefahren. Mehr will sie in der Öffentlichkeit nicht sagen. Sie deutet jedoch an, daß sie seitdem versuchte, »jedes Alleinsein mit ihm zu vermeiden«, um nicht wieder zum Objekt seiner Begierde zu werden. Auch habe ein von ihr eingeweihter Kollege versucht, möglichst oft in ihrer Nähe zu bleiben.
Doch auch ein zurückgewiesener Chef hat als solcher einige Möglichkeiten, sich zu rächen. Malou U., die zudem »viel Putzarbeiten« machen mußte und wenig lernen konnte, erklärte bei einer Betriebsversammlung, unter diesen Bedingungen keinen erfolgreichen Abschluß ihrer Ausbildung erwarten zu können. Daraufhin warf ihr Chef ihr »Interesselosigkeit« vor, obwohl ihr sämtliche anderen Ausbilder »großes handwerkliches Geschick und größtes Interesse« bescheinigten. Doch ein zweimonatiger außerbetrieblicher Fräskurs und ein sehr gutes Berufsschulzeugnis gaben ihr neuen Mut »und die Klarheit, daß ich die Ausbildung unter anderen Bedingungen sehr wohl schaffen kann«. Im April 1991 ging sie zu ihrem Chef, um das Ausbildungsverhältnis aufzulösen. Doch »trotz anfänglichen Einverständnisses«, berichtet Malou U., weigerte sich dieser, den Auflösevertrag zu unterschreiben. Stattdessen überreichte er ihr eine fristlose Kündigung wegen angeblicher Arbeitsverweigerung, der wenig später auch noch eine Schadensersatzforderung von rund 2.250 Mark wegen Nichteinhaltung des Arbeitsvertrages folgte. Was sie hingegen bis heute nicht bekam, waren ihre Arbeitspapiere, ihr Zeugnis und ihr letztes Gehalt. Beim Arbeitsamt erhielt sie monatelang nicht einmal die ihr zustehenden 320 Mark Arbeitslosengeld, da ihr ehemaliger Chef das Ausfüllen der dafür notwendigen Arbeitsbescheinigung verweigert habe. Und als die Frau sich zwecks neuer Lehrstelle bei verschiedenen Firmen bewarb, bekam sie trotz anfänglichen Interesses immer wieder Absagen. Da sich die Berliner Werkstattinhaber und Innungsmeister untereinander recht gut kennen, vermutet Malou U., daß ihr ehemaliger Chef sie bei ihnen schlecht gemacht habe.
Das alles wollte sie nicht mehr auf sich sitzen lassen. Sie legte vor der zuständigen Handwerkskammer Klage auf Herausgabe der Arbeitspapiere und gegen die fristlose Kündigung ein, zumal sie Zeugen dafür hatte, daß die angebliche Arbeitsverweigerung keine gewesen sei. Am 10. Dezember wurde vor dem Ausschuß für Lehrlingsstreitigkeiten ein Vergleich zu ihren Gunsten geschlossen. Ihr ehemaliger Chef wurde verpflichtet, ihren letzten Lohn nebst Zinsen zu bezahlen, ihre Arbeitspapiere samt Zeugnis herauszurücken sowie Kündigung und Schadensersatzklage zugunsten einer Auflösung des Ausbildungsverhältnisses zurückzunehmen.
Der Chef der Motorradwerkstatt zeigte sich nun im Gespräch mit der taz ziemlich unzufrieden mit dem Vergleich: »Der ist nicht in meinem Sinne«. Die Beschuldigung, Annäherungsversuche gemacht zu haben, wies er weit von sich: »Das ist ja das allerletzte«. Erstens arbeite seine Frau im Betrieb mit, zweitens sei so etwas bei den eigenen Angestellten »persönlich undenkbar« und drittens sei Malou U. auch gar nicht sein Typ. Ute Scheub
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen