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Fehleinschätzung von Ursachen und Wirkung

■ betr.: "Der Grundstückspekulation den Boden entziehen", taz vom 8.1.92

betr.: »Der Grundstücksspekulation den Boden entziehen“, taz vom 8.1.92

Unserer Aufmerksamkeit seit der Wende ist nicht entgangen, daß die taz erstmalig zu diesem akuten Problem eine tiefergründige Betrachtung anstellt, die sogar einige analytische Qualitäten hat, um den kausalen Nexus von Zinseszinswirkung unter den realen Bedingungen des Marktes darzustellen.

Dieser Zusammenhang von Mieten und Grundrenten über das Medium Zins realisiert sich auch beim Wohnungsmarkt über Angebot und Nachfrage von »ganz alleine dann sozialverträglich«, wenn die steuerungspolitischen Rahmenbedingungen vom Prinzip der Gleichberechtigung bestimmt sind. Zum Beispiel im Steuerrecht.

Der Verfasser dieser Betrachtung jedoch bringt hier marxistische Theorien mit denen von Silvio Gesell durcheinander — und verirrt sich mit seinen ideologischen Altlasten im Spekulationsdschungel von Daimler- Benz —, und so ist eine recht merkwürdige Fehleinschätzung von Ursachen und Wirkung entstanden.

Denn natürlich ist es klar, daß Angebot und Nachfrage auch auf dem Wohnungsmarkt eine zusätzliche Produktion bewirkt — und daß diese zusätzliche Produktion auch Rückwirkungen auf die Preisentwicklung hat. Diese Binsenweisheit ist nicht der Kern des Problems, denn dieser liegt zwar im »Privileg der Grundeigentümer« wie zu Zeiten von Marx, aber der Spekulationsgewinn läßt sich nur durch recht »moderne« Instrumentarien von Bundesbank und Fiskalpolitik herstellen und zugleich legal verschleiern.

Die Monopolstellung der Grundrentner hatte Marxisten und andere Linke dazu verleitet — das Eigentum an Grund und Boden abzuschaffen — und sicherheitshalber auch noch gleich das Kapital in seinen monetären Formen; und bekanntlich wurde auch der »Markt« abgeschafft...

»Linke« haben schon von jeher gewisse Probleme im Umgang mit Fragen der Volkswirtschaft und den nationalökonomischen Problembereichen. Schließlich hatten die revolutionären Visionen nicht im Sinn gehabt — Rechts- und Gesetzesreformen durchzuführen, sondern den Kommunismus weltweit zu etablieren.

Nun fangen wir alle dort mit dem Experiment »Sozialismus« neu an, wo die reformpolitischen Möglichkeiten bereits 1916 lagen... Das Problem der Grundstücksspekulation (als Problem der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen) hat sich seit den Zeiten von Marx nicht geändert — und es würde sich auch dann nicht ändern, wenn wir gegenwärtig von der Anwendbarkeit seiner Mehrwerttheorie ausgingen. Dieser Ausbeutungsmechanismus wirkt auch in allen anderen Bereichen der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens.

Wir müssen deshalb nicht das Geld abschaffen und das Eigentumsrecht am Grund und Boden, auch nicht den Markt...

Alle diese intelligenten Einrichtungen abschaffen zu wollen — wie dies Marx für notwendig erachtete, sind kaum noch Gegenstand ernsthafter Debatten; wenn wir von einigen »Linken« einmal absehen. Wir —das Volk— hätten natürlich die Möglichkeit, dem Gesetzgeber auf die Sprünge zu helfen, um hier eine grundlegende Änderung zu bewirken. Aber was tut die taz, was macht der Verfasser dieser Betrachtung für eine Feststellung? Die Erbpacht sei zwar eine gute Methode gegen Bodenspekulation, sie komme aber leider zu spät, wird fälschlich behauptet.

Wir selbst haben noch zu DDR-Zeiten entsprechende Vorschläge und Gesetzesinitiativen an die Adresse von Volkskammer und Bundestag auch an die taz vorgelegt, mit dem Ergebnis, daß diese Initiativen als untauglich abgelehnt wurden.

[...] Aber — tempora mutantur — die Zeiten ändern sich, und so könnte eine Idee von einem rationalen Sozialismus demnächst auch in der taz einkehren — und dann zur Einsicht gelangen, daß die »schreiende Ungerechtigkeit« Privateigentum nicht das wirkliche Problem ist, wenn die erforderlichen Reformen in der Fiskalpolitik konzipiert und realisiert werden.

Was in dem Bericht von W.Schmitt als Initiative vom Bündnis90 und die Grünen/Alternative Liste als vorbildlicher Antrag zum Erbbaurecht hingestellt ist, ist nur insofern richtig, als das Interforum Oranienburg im Bündnis90 in der Arbeitsgruppe Wirtschaft mitarbeitet — und dieses Erbbaukonzept im Seminar für freiheitliche Ordnung schon zur Wendezeit angeregt hatte. [...]

Wir selbst, im Interforum Oranienburg, befassen uns im Arbeitskreis Wirtschaft vom Bündnis90 mit dieser Thematik und auch mit anderen Themen, die im Rahmen der Verfassungsdiskussion von prinzipieller Bedeutung sind, im Grundgesetz neu geregelt werden müssen. Das Recht auf Wohnung und das Recht auf Arbeit bekommt vor diesem Hintergrund auch für die taz eine andere Dimension. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Auseinandersetzung mit dem Problem der Bodenspekulation nicht ein sekundäres Phänomen. Interforum Oranienburg, Berlin 62

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