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Stolpe fühlt sich umzingelt

■ Der brandenburgische Ministerpräsident vermutet eine Kampagne „konservativer Kreise“ gegen ihn/ Brandt und Schmidt stärken ihm den Rücken/ Gauck fordert Gesetz gegen DDR-Verantwortliche

Berlin (ap/dpa/taz) — Dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe sind gestern die Nerven durchgegangen: ausgerechnet in der 'Bild‘-Zeitung gab er zum besten, daß er hinter den Vorwürfen wegen seiner Stasi-Kontakte eine Kampagne „konservativer Kreise“ vermute. Er habe Informationen, „daß meine wachsende Popularität diesen Kreisen Sorgen macht und unbedingt zu stoppen sei“, diktierte er den Boulevardschreiberlingen. Bitter beklagte er sich über die Report- Sendung am Montag abend: „Zielvorstellung des ganzen Unternehmens war es, den Stolpe plattzumachen“, sagte er. Der Bericht sei noch zusätzlich dramatisiert worden mit einem „theatralisch vorgetragenenen Kommentar, in dem mein Rücktritt gefordert wurde“.

Die brandenburgische SPD nannte den Beitrag „einen polemischen Angriff unter der Gürtellinie auf einen beliebten und geachteten ostdeutschen Sozialdemokraten“ und eine „Beleidigung aller Menschen, die um die Tätigkeit von Manfred Stolpe in der ehemaligen DDR wissen“. Und auch die beiden Altbundeskanzler Brandt und Schmidt versuchten, dem Kirchenmann den Rücken zu stärken: „Was sich in diesen Tagen um Manfred Stolpe abspielt, ist empörend und fordert Protest heraus.“ Stolpe habe unter den Bedingungen der DDR einer beträchtlichen Zahl von Menschen helfen können. Dafür gebühre ihm Dank und Anerkennung, nicht Tadel und falsche Verdächtigung. „Wir in den alten Bundesländern haben uns nicht zu Richtern über Landsleute im anderen Teil Deutschlands aufzuwerfen, die sich unter schwierigeren Bedingungen als bei uns im Westen um ihre Existenz und Würde zu kümmern und zu sorgen hatten“, mahnten Brandt und Schmidt. An die Menschen in Ostdeutschland appellierten sie: „Laßt euch nicht in eine Psychose hineinreden, als wäret ihr ein Volk von Stasi-Knechten und Denunzianten gewesen.“

Der Sonderbeauftragte für die Unterlagen des früheren DDR- Staatssicherheitsdienstes, Joachim Gauck, paßt die gegenwärtige Auseinandersetzung mit der Stasi aus anderen Gründen nicht: Er finde es „unerträglich“, daß Informelle Mitarbeiter überprüft würden, hochrangige Funktionsträger im Politbüro, Zentralkomitee bis zur SED-Kreisleitung aber verschont blieben, sagte Gauck am Montag abend bei einer Diskussion in Cottbus. „Ich erwarte eine Gesetzesvorlage, wonach die kleinen Spitzel nicht schlimmer wegkommen als die Hauptverantwortlichen.“

Gauck bekräftigte Aussagen aus seiner Behörde, nach denen es keine Erkenntnisse über eine Stasi-Belastung von Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) gibt. Es werde aber eine innerkirchliche Debatte darüber geführt werden, mit wem Stolpe sein Wissen geteilt habe.

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