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Abtreibung wird zum Wahlkampfthema

■ Vor den Wahlen will der Oberste Gerichtshof in den USA über das Recht auf Abtreibung entscheiden

Washington (wps/taz) — Es mag purer Zufall gewesen sein, doch für Kathryn Kolbert bedeutet es ein schlechtes Omen: Auf den Tag genau 19 Jahre nachdem der Oberste Gerichtshof in einer Grundsatzentscheidung das Recht der Frauen auf Abtreibung verfassungsrechtlich anerkannt hatte, hat dasselbe Gericht nun entschieden, sich erneut mit der Abtreibungsfrage zu befassen. Kathryn Kolbert, Rechtsanwältin der „American Civil Liberties Union“ (ACLU), der größten US-Bürgerrechtsorganisation, wird die Seite der Abtreibungsbefürworter vertreten. Doch angesichts der konservativen Mehrheit im „US-Supreme Court“ hält sie den Fall bereits jetzt für verloren.

Dabei hatte der Oberste Gerichtshof am Dienstag nichts weiter getan, als bekanntzugeben, daß man das neue Abtreibungsgesetz des US- Bundesstaates Pennsylvania auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüfen und seine Entscheidung voraussichtlich noch im Juli bekanntgeben werde. In Pennsylvania werden Frauen seit 1989 einige Hindernisse in den Weg gestellt, wenn sie eine Abtreibung vornehmen lassen wollen: Demnach müssen Ärzte 24 Stunden vor dem geplanten Eingriff die Frau noch einmal auf die Risiken eines Schwangerschaftsabbruchs und auf Alternativen hinweisen. Ist die Patientin verheiratet, so ist der Eingriff nur dann rechtmäßig, wenn die Frau nachweisen kann, daß sie zuvor ihren Mann informiert hat.

Mit diesen Regelungen ist Pennsylvania bei weitem nicht der konservativste US-Bundesstaat, was Restriktionen bei der Abtreibungsfreiheit betrifft. Allerdings unterminiert Pennsylvania eindeutig die verfassungsrechtlichen Standards der Grundsatzentscheidung Roe v. Wade aus dem Jahr 1973. Eine damals noch liberale Mehrheit im Obersten Gerichtshof entschied, daß in den ersten Monaten der Schwangerschaft nur eine Person über eine mögliche Abtreibung entscheiden darf: die Frau selbst. Staatliche Einmischung, in welcher Form auch immer, galt als nicht zulässig.

Daß der Kampf für das Recht auf legale Abtreibung vor dem inzwischen konservativ besetzten Gerichten vorerst verloren ist, ist auch den meisten Frauenrechtlerinnen klar. Trotzdem dürfte ihnen der Zeitplan des „Supreme Court“ gelegen kommen. Wenn schon juristisch chancenlos, wollen sie wenigstens den politischen Preis für den Abtreibungsgegner George Bush und seine Republikanische Partei vor den Wahlen so hoch wie möglich schrauben. Dabei muß Bush auch mit Druck aus den eigenen Reihen rechnen: Ann Stone, Vorsitzende des Komitees der „Republikaner für Abtreibungsfreiheit“ stellte dem Präsidenten und den republikanischen Kongreßkandidaten die Strafe für ihre frauenfeindliche Politik in Aussicht: „An der Wahlurne — und dann trifft es die ganze Partei.“

Den professionell organisierten Abtreibungsbefürwortern stehen allerdings ebenso agile Gegner gegenüber. Als hätten sie die Ankündigung des „Supreme Court“ geahnt, traten am Dienstag in Washington wieder radikale Abtreibungsgegner der Organisation „Operation Rescue“ auf den Plan und blockierten die Zugänge zu zwei Abtreibungskliniken. Die Nachricht aus dem Obersten Gerichtshof ließ die Stimmung unter den über 400 Abtreibungsgegnern merklich steigen. „Wir beobachten das Ende von Roe v. Wade“ triumphierte „Operation Rescue“-Direktor Randall Terry — und bislang deutet alles darauf hin, daß er recht behalten wird. anb

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