Bonn genehmigte Atomtechnik für Irak

Wirtschaftsminister Möllemann gerät in den Verdacht, bundesdeutsche Atomexporte an den Irak begünstigt zu haben/ Bundesforschungsministerium unterstützte die Produktion für Saddam Hussein  ■ Aus Bonn Andreas Zumach

Hat Bundeswirtschaftsminister Jürgen Möllemann in der Vergangenheit die in seinem Wahlkreis beheimatete Firma H&H Metallform GmbH begünstigt und damit deren zentrale bundesdeutsche Rolle bei der Lieferung von Atomwaffentechnologie und entsprechendem Know- how in den Irak ermöglicht? Konnte die Firma auf diese Weise jahrelang ungestört operieren und sogar noch Mittel aus dem Bundeshaushalt erhalten, obwohl in Bonn längst Erkenntnisse über ihre Beteiligung am irakischen Atomwaffenprogramm vorlagen? In Kreisen der Bonner Opposition wird dieser Verdacht immer deutlicher formuliert. Er wird genährt aus den zahlreichen Ungereimtheiten, die zwischen den internen Unterlagen der Bundesregierung und ihren öffentlichen Einlassungen zur Frage der Beteiligung am irakischen Atomwaffen bestehen.

Die Bundesregierung wird auch erklären müssen, warum sie ihre seit März letzten Jahres vorliegenden Erkenntnisse über die Beteiligung bundesdeutscher Firmen am irakischen Atomwaffenprogramm der zuständigen UNO-Sonderkommission bis zum Januar 1992 vorenthalten hat. Das Thema dürfte heute im Bundestag während 2. und 3. Lesung der Novelle zum Außenwirtschaftsgesetz (AWG) zur Sprache kommen.

Bereits Anfang Juni 1988 erhielt die Bundesregierung erste verläßliche Geheimdienstinformationen und andere deutliche Hinweise auf den Versuch Iraks, sich auf dem internationalen Markt die Gasultrazentrifugen (GUZ) bzw. die zu ihrem Bau notwendigen Teile und Know-hows zu beschaffen. Dies ergibt sich aus dem im März 1991 vorgelegten Irak- Bericht der Regierung. Mit den Zentrifugen läßt sich Uran bis zur Atomwaffenreife anreichern. Schon 1988 bestand kein Zweifel daran, daß der Irak rein militärisches Interesse an den Zentrifugen hatte.

Zwecks ihrer Beschaffung gründete die Regierung in Bagdad zwei Firmen in Großbritannien, die dort zugleich die Drensteinfurter Firma H&H Metallform GmbH repräsentierten. Zumindest zu jenem Zeitpunkt war der Irak finanziell an dem Unternehmen in Möllemanns Wahlkreis beteiligt. Nach einem internen Bericht von Möllemanns Vorgänger Hausmann von 1989 lag die Beteiligung bei 50 Prozent. Zwischen 1987 und 1989 lieferte H&H Metallform Schlüsseltechnologie an Bagdad: Fließdruckmaschinen, die für die Herstellung nahtfreier Rohre und damit auch bei der Produktion von Gaszentrifungen unerläßlich sind. Darüber hinaus spielte die H&H Metallform die zentrale Rolle bei der Vermittlung von Experten sowie Kontakten zu anderen Unternehmen, die Bagdad für den Aufbau seines Atomwaffenprogrammes brauchte. Die weitgehende Hilfe der Firma versetzte Irak in die Lage, sofort mit der Produktion von Gasultrazentrifugen zu beginnen.

Nach Einschätzung von Experten der UNO-Sonderkommission hat Bagdad auf diese Weise bis zu fünf Jahre gewonnen und konnte bis zum Golfkrieg große Mengen Zentrifugen bauen.

Die Ausfuhr der von H&H in den Irak exportierten Technologien ist nicht nur genehmigungspflichtig, sondern unterliegt auch der Geheimhaltung. Dennoch erhielt die Firma ohne Problem die Genehmigung — die sogenannten Negativbescheide der Bundesregierung. Darin bestätigt die Regierung, daß die Lieferung nicht gegen bundesdeutsche Ausfuhrbestimmungen verstößt. Im Irak-Bericht der Bundesregierung vom März '91 heißt es, die zuständigen Behörden hätten sich vor Erteilung der Negativbescheide davon „überzeugt, daß der zivile Einsatz“ der Fließdruckmaschinen im Irak „gesichert“ sei. Erst im August 1990 — also über zwei jahre nach Vorliegen der ersten Geheimdienstinformationen — will die Bundesregierung Hinweise auf die Rolle der Firma H&H Metallform beim Aufbau des irakischen Atomwaffenprogramms erhalten haben.

Darüber hinaus bekam die H&H Metallform in diesem Zeitraum sogar Mittel des Bundesministeriums für Forschung und Technologie für die Entwicklung der Gasultrazentrifugentechnologie. Wieviel öffentliche Gelder insgesamt in dieses Programm geflossen sind, ist derzeit noch unklar. Es waren mindestens 500.000, möglicherweise sogar bis zu fünf Millionen Mark. Forschungsmittel für einzelne Firmen sind in Bonn nur durch erheblichen Einsatz der für den jeweiligen Standort zuständigen Bundestagsabgeordneten loszueisen. Die SPD möchte jetzt wissen, ob Möllemann möglicherweise dafür gesorgt hat, daß die H&H Metallform diese Mittel wie auch die Ausfuhrgenehmigungen trotz der bereits seit Juni 1988 vorliegenden Erkenntnisse erhalten hat.

Der Irak-Bericht der Bundesregierung vom März 1991 enthält bereits sämtliche wesentlichen Informationen und Dokumente über die Beteiligung nicht nur der H&H Metallform, sondern auch anderer bundesdeutscher Unternehmen an den irakischen A-, B- und C-Waffen sowie am Scud-B-Raketenprogramm. Die ersten acht Inspektionsreisen der UNO bis zum Dezember 1991 haben für die Bundesregierung keine wesentlichen neuen Informationen und Beweise erbracht.

Umgekehrt hat jedoch das neunte Inspektionsteam mit den am 9. Januar von der Bundesregierung zur Verfügung gestellten Unterlagen aus dem Irak-Bericht die Regierung in Bagdad erstmals zu einem Eingeständnis des Atomwaffenprogramms bewegen können. In Bonn gibt es den Verdacht, daß die Regierung diese Dokumente zunächst zurückgehalten und abgewartet hat, ob die UNO-Inspektoren Hinweise auf die Beteiligung bundesdeutscher Firmen an den irakischen Waffenprogrammen finden.