: Die Absurdität des normalen Lebens
■ »3 Gestirn Köln Eins«: Kabarett im Mehringhof-Theater
Schrill sehen sie aus, die Herren Kämmer, Nitschke und Schmickler vom »3 Gestirn Köln Eins«, eine Mischung aus Turtles, einem Schuß Heinz Rühmann, und jede Menge »Kölle alaaf«.
Um es vorweg zu sagen: Die drei sind schon deshalb ihr Geld wert, weil sie es geschafft haben, ein Kabarettprogramm auf die Beine zu stellen, das ohne Stimmenimitationen und peinlichem Betroffenheitsgesülze auskommt. Diese Leute gehen weiter. Wie Gerhard Polt in Hochform zeigen sie den rabenschwarzen Humor des Spießbürgers, der so dumm und ungewollt daherkommt, daß man fast schon wieder Mitleid empfindet — denken wir nur an Alfred Tetzlaff.
Ein Dorf wähnt sich von Asylanten umzingelt und schickt Jäger aus, um die Grenzen zu sichern. Mit ihren durchgeladenen Flinten stehen sie vor dem Publikum und deklarieren singend ihre politische Weitsicht: »Ja wieviel tausend Menschen, wandern durch die Welt, warum, was weiß denn ich, was denen da gefällt?« Wohltuend unpädagogisch ist auch der Sketch über den Versuch eines Sozialarbeiters, Verständnis aufzubringen für einen Skinhead, der jüdische Grabmäler mit Hakenkreuzen beschmiert hat. »Der versteht das doch als Hilferuf«, labert der Mann und knetet verlegen seine Finger: es ist die Kapitulation einer gescheiterten Berufsgruppe.
Umwerfend komisch ist das 3Gestirn, wenn es um die Absurdität des normalen Lebens geht: »Ich habe Angst, in mich zu gehen, weil vielleicht schon ein anderer da drinnen hockt und sagt: ja Freundchen, auf dich habe ich gerade noch gewartet!« Herr Kämmer und Herr Schmickler leiden manchmal an dem Buchholz- Syndrom: bilde möglichst lange, schön verschachtelte Sätze, und sprich sie dann so schnell, daß keiner den Inhalt verstehe. Das es auch anders geht, zeigt Herr Kämmer. Er läßt seine knappen Sätze wie Bilder im Raum stehen. »Mit 15 hatte ich Pickel ... Clerasil gesoffen ... Alkoholiker geworden ... Jetzt warte ich darauf, mein Verfallsdatum zu verpassen.«
Etwas nervend die Kalauerwut der Kölner Jecken: Da heißt es »Circus Salmone« statt Salome, um dann auf eine wortverwandte Krankeit zu verweisen, die größten Feldherren aller Zeiten sind »Herr Rammel, Herr Hummel und Herr Rommel«, und ein alter Witz des Herrn Tom Waits wird ausgegraben: »Sie müssen nicht glauben, daß der Mann Probleme mit Alkohol hat — höchstens ohne.«
Aber es gibt auch gute Witze: »Was ist sieben Meter lang und hat drei Zähne? Eine Polonaise im Altersheim!« Große klasse ist dann die »Friedhofsnummer«: zwei alte Knacker aus einem Altenheim hocken vor dem Grab eines Herrn Sackewitz, der wohl ein großes Arschloch war und zu jeder Zeit die Heimbewohner mit seinem Akkordeonspiel nervte. Da haben die Senioren zur Selbsthilfe gegriffen und das Problem beiseite geschafft.
Freunde des schwarzen Humors kommen auf ihre Kosten, wenn das 3Gestirn den Bau des Tengelmann- Supermarktes auf dem Gelände des ehemaligen Frauen-KZ in Ravensbrück fordert. Das sei eine Art Wiedergutmachung, ehemalige Häftlinge bekämen sogar Preisnachlaß, zu ihrer Identifizierung müßten die Frauen nur ihre eintätowierten Nummern über den Kassen-Scanner ziehen.
Die Männer mit dem Klosauger auf dem Schädel hatten es nicht einfach bei der Premiere ihres neuen Programmes im halbleeren Mehringhof-Theater. Vielleicht fehlte dem Publikum der ein oder andere Seitenhieb auf die heimischen Pappnasen aus Kultur und Politik, vielleicht übertrug sich aber auch die leichte Nervosität des 3Gestirns, das zum ersten Mal vor den kabarettverwöhnten Berlinern auftrat. Die »Toten Hosen des Kabaretts«, so die reichlich mißlungene Eigenwerbung, bringen mit ihrer rheinischen Komik gutes Entertainment in den Mehringhof. Werner
3 Gestirn Köln Eins, täglich, außer Montags/Dienstags, um 21 Uhr im Mehringhof-Theater, Gneisenaustraße 2a, Kreuzberg 61, Telefon: 6915099
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