Makaber und komisch zugleich

■ Der zweite Teil des FU-Kolloquiums »Kunst und Literatur nach Auschwitz«

Der zweite Montag des Germanisten-Kolloquiums an der Freien Universität Berlin Kunst und Literatur nach Auschwitz (siehe taz vom 18.01.1991) brachte neben einigen Referaten, einer Lesung und einer Filmvorführung (Krankenhaus der Verklärung nach Stanislaw Lem) auch eine Ausstellung, die auf exemplarische Weise zeigt, wie man mit dem Thema nicht umgehen sollte. Gezeigt wird Auschwitz als eher malerisches Sujet: wunderschöne, traumhaft beleuchtete Fotografien der Rampe, der Baracken, der Krematoriumsöfen. Letztere gleich mit Blumensträußen — damit es nicht zu grau ausfalle und auch die Gefühle der Verbliebenen zeige.

Ich erinnere mich an Auschwitz auch in Farbe: Im Sommer bin ich dort gewesen, nicht einmal zwanzig Kilometer vom Wohnort meiner Kindheit entfernt. Ich würde mich jedoch hüten, die Eindrücke aus Birkenau so weiterzugeben, wie der Fotograf es in der Ausstellung macht: Als könnte man von diesem Ort in derselben Weise erzählen, in der 'Geo‘-Reporter die Exotik der Karibik vermitteln. So will ich es nicht, obwohl es vielleicht gegen die Gesetze der Natur ist — jeder Ort, einigermaßen naturbelassen, entwickelt nach mehreren Jahrzehnten eine gewisse Fotogenität.

Hier handelt es sich aber nicht einmal um die Fotogenität des Grauens oder gar des Bösen. Mitnichten: Schwarzweiß-Fotografien mit einem bewußt gewählten Stich ins »gothic-novel«, oder verfremdete Negativ-Farbfotos. Hier zeigt man die natürliche und in die Irre führende Schönheit der Landschaft — plus einige banale und längst überholte Tricks der kitschigen Landschaftsfotografie: mal Nebel, mal Sonnenuntergang, mal ein »dramatischer« Baum, mal eine Blume, die »unerwartet« im Brennpunkt des Grauens aus dem Boden schießt (sic!). Ich glaube diesen Fotos nicht, selbst wenn sie wahr sind.

Im Kolloquium wurden (unter anderem) zwei wichtige Fragen gestellt: die nach der Möglichkeit der ambivalenten Betrachtung des Makaberen und die nach der Komik angesichts der Shoa. Die Antworten, obwohl widersprüchlich, sind gleichzeitig komplementär. Ursula Link-Heer behauptet, daß, entgegen der früheren Einstellung zum Makaberen, ein Lachen angesichts der Bilder aus Auschwitz nicht mehr zulässig sei.

Rüdiger Steinlein beruft sich dagegen auf viele literarische Beispiele, die aus der Groteske und der tragischen Farce ein Instrument der Kommunikation über Shoa gemacht haben: Johannes Bobrowksi, der bewußt den Leser zum Lachen bringt, um ihm sodann das Lachen im Halse steckenbleiben zu lassen; Tadeusz Borowski, der seine zynisch-groteske Haltung in seinen Erzählungen (schon die Titel signalisieren, mit welchen Mitteln er operiert: Herrschaften, bitte zum Gas! fungiert gleichzeitig als Titel einer Erzählung und des ganzen Zyklus) als einzige Möglichkeit, die Geschichte erzählbar zu machen, versteht; George Tabori, mit seinen entsetzlichen und gleichzeitig komischen Geschichten über den Kannibalismus im KZ (Kannibalen).

Im Vordergrund steht jene Geschichte des Nazi-Massenmörders, der nach dem Kriege in die Identität seines Opfers — eines jüdischen Friseurs — schlüpft, um die eigene Haut zu retten. Am Ende wandert er nach Israel aus, um dort einen Friseursalon zu gründen.

Dieses ad absurdum geführte Betrachten des banalen, bürokratischen Verbrechens ist für viele Schriftsteller der einzige Weg, die Erinnerung sinnlich zu machen — eben weil wir (laut Tabori) nur mit Riechen und Tasten, Schmecken und Sehen an die konkreten Ereignisse und Personen denken können. Mit den Zahlen jedoch nicht.

Zum 50.Jahrestag der Wannsee- Konferenz hat ein deutscher Film, der die Geschichte des jüdischen Friseurs umgekehrt erzählt (Hitlerjunge Salomon), eine der wichtigsten internationalen Filmauszeichnungen gewonnen (Golden Globe). Thema: Ein jüdisches Kind rettet sein Leben durch die perfekte Anpassung. War Woody Allens Zelig eine Gestalt, die Probleme aufgrund ihrer chamäleonartigen Eigenschaften bekam, ist der Held von Agnieszka Holland (sie hat als Assistentin von Andrzej Wajda beim Mann aus Marmor die große Karriere angefangen) ein Überlebenskünstler.

Es ist komisch und makaber, daß sich die Deutschen diesen Film als einen Preisträger nicht wünschten — eine Nominierung zum Oscar wurde ihm im Produktionsland verweigert. Piotr Olszowka