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Freilassung von Bernd Rößner

Bernd Rößner ist seit 16 Jahren politischer Gefangener in der BRD. Er ist einer von fünf haftunfähigen Gefangenen aus der RAF, der am längsten der permanenten, systematischen Isolationshaft unterliegt.

Er wurde im April 1975 bei der Besetzung der BRD-Botschaft in Stockholm — nach dem Tod von Holger Meins bei einem fünfmonatigen Hungerstreik gegen die Isolationshaftbedingungen 74/75 — festgenommen. (Forderung war die Freilassung von 26 politischen Gefangenen in der BRD.)

Zunächst in Einzelhaft, hatte er 1976/77 während des Prozesses und danach stundenweise zu zweit Umschluß und Hofgang mit Hanna Krabbe. Nach der Kontaktsperre 1977, die die völlige Abschottung der Gefangenen innerhalb der Gefängnisse und nach draußen bedeutete, gab es noch eine kurze Zeit der Kleingruppenisolation mit anderen Gefangenen. Ab März 1978 unterlag Bernd Rößner der Einzelisolation in Straubing, Bayern. Ende 1982, nach seiner Verlegung nach Frankenthal immer noch in Einzelhaft, trat er in einen Schmutzstreik mit der Forderung: „Verlegung in eine der bestehenden Kleingruppen.“ Nach fünf Wochen „Beruhigungszelle“ (das heißt die Zelle ist völlig leer, ohne Einrichtungsgegenstände, eine Matraze auf dem Boden, Bunkerhaft), der Rückverlegung nach Straubing und weiteren viereinhalb Monaten Bunker, brach er den Streik ab. Sein Gesundheitszustand war so angegriffen, daß er kaum noch Nahrung zu sich nehmen konnte. Die Anstaltsleitung konnte sich danach mit dem Versuch, ihn zu psychiatrisieren gegen seinen Widerstand und die Mobilisierung der Öffentlichkeit nicht durchzusetzen.

Die Bedingungen der Isolationshaft waren und sind über die Jahre zusätzlich gekennzeichnet durch permanente Kontaktunterbrechungen und -verbote (bei Besuchen und Briefen), Arreste, Bunkerstrafen.

All die Jahre wurde ihm ein/e Arzt/Ärztin seines Vertrauens verweigert. Neun Hungerstreiks für Zusammenlegung, an denen Bernd sich beteiligte, haben nichts an seiner Situation verändert. Die Folgen sind gravierend. Für Bernd Rößner hat die Erschöpfung seiner Widerstandskräfte schon längst einen Punkt erreicht, an dem eine Überlebensperspektive für ihn nur möglich ist, wenn er rauskommt.

Es ist schwer zu formulieren, welche gesundheitlichen Folgen diese Haftbedingungen für Bernd haben. Er hat einen ungeheuer starken Willen, sich nicht zerbrechen zu lassen, während sein Organismus das kaum noch aushält.

Bernd sagt, ihm fehle die frühere gedankliche Klarheit, er fühle eine Leere im Kopf oder aber: es wäre, als ob man ihm das Gehirn zusammenpresse. Er könne nichts mehr tun; manchmal brauche er einen ganzen Tag, um auf der Schreibmaschine einen Punkt zu setzen. Er würde gern für sich arbeiten, aber er schaffe den ganzen Tag nichts.

Auftretende Krankheiten wie massive Konzentrationsstörungen, Wahrnehmungsstörungen, Hautkrankheiten und andere physische Symptome sind nicht im üblichen medizinischen Kontext zu behandeln, weil ihre Ursachen in seinen Lebensbedingungen im Gefängnis liegen.

Die Reaktion von Justiz und den politsch Verantwortlichen sind eindeutig und damit auch das Ziel dieser Tortur klar; nur wenn er abschwört, sich distanziert wird er begnadigt oder auf Bewährung entlassen. Dem beugt er sich nicht. Eine Überprüfung der weiteren Haftdauer, wie sie für lebenslänglich Verurteilte nach 15 Jahren obligatorisch durchgeführt wird, endete am 18.5.1990 durch das OLG Düsseldorf mit einer Ablehnung. Die Forderung nach Abschwören, Distanzierung von sich selbst, der eigenen Geschichte, den erlebten Erfahrungen und Entscheidungen ist immer und überall und für jeden Menschen unwürdig. Es wäre das, was Bernd dazu gesagt hat: „Mein eigenes Leben wegschmeißen!“

Bernd Rößner muß sofort freigelassen werden, ohne den dafür geforderten Preis des „Abschwörens und der öffentlichen Reue“ bezahlen zu müssen. Angehörige der politischen Gefangenen in der BRD

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