: Treuhands Zirkustricks
■ Manege frei mit artistischer Finanzierung
Berlin — Eine Erfolgsmeldung aus dem Hause Treuhand erstaunte gestern die zeitunglesenden Zirkusleute der fusionierten beiden Staatszirkusse der DDR, „Busch/ Berolina“ und „Aeros“ in Berlin. Durch die Investition von 2,84 Millionen Mark, stand da zu lesen, sei der Spielbetrieb „gerettet“ und „für die Zukunft der Dressurtiere und der Dressurnummern gesorgt“. Die Treuhand werde auch weiter dabei helfen, das Unternehmenskonzept im Wettbewerb der deutschen und europäischen Zirkusse umzusetzen.
Diese Art der Hilfeleistung, wissen Mitarbeiter von Busch/Berolina, ist tatsächlich eine circensische. Die 2,84 Millionen Mark stammen nämlich, wie die Treuhand sehr richtig anmerkt, direkt aus der Kasse des Bonner Innenministeriums, genauer: aus dessen Kulturfonds wie ein rosa Kaninchen aus dem Zylinder im Herbst 1990 auf das Konto der, weil staatlicher Subvention beraubten, darbenden Zirkusleute gezaubert. Das Kunststück der Treuhand bestand nun eher darin, das Geld wieder im Hut verschwinden zu lassen. Es dürfe, beschied sie, nicht ausgegeben werden, weil ein tragfähiges Unternehmenskonzept fehle. Bestellungen, zum Beispiel für neue Spielzelte, mußten rückgängig gemacht werden.
In den Zirkussen reifte der Verdacht, sie sollten durch Verzögerung abgewickelt werden, weil ihr Winterquartier auf dem weitläufiges Gelände direkt neben der Galopprennbahn Hoppegarten liegt, für das Interessenten immer höhere Grundstückspreise bieten. Das Gerangel zog sich über Monate hin. Zwischenzeitlich erwiesen sich die Raubtiere als ebenso streng artengeschützt wie unverkäuflich. Die potentielle Konkursmasse Löwen und Eisbären, das Stück à 20.000 Mark, hätte als totes Kapital für einen tierschützerischen Skandal gesorgt. Lebend ist es nur gefräßig. Daß die Treuhand sich jetzt mit der Freigabe des von ihr blockierten Geldes als Star der Manege feiern läßt, ärgert Busch/Berolina. Geschäftsführer Klauß reagierte gestern mit einer Presseerklärung, in der er das treuhänderische Eigenlob um die „Millionenspritze“ nebst „Rettungsaktion“ in den Bereich der Fabel verwies. Der Zirkus Aeros, von der Treuhand nicht einmal mehr erwähnt, fühlt sich wie die zersägte Jungfrau. Er meldet sich ebenfalls zu Wort. Sie werden, haben die Mitarbeiter unterderhand erfahren, „für einen symbolischen Preis“ auf dem Markt angeboten und sollen bei Nichtgefallen stillgelegt werden.
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