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Chance oder Alibi?

■ Frauenförderung in der privaten Wirtschaft ist längst kein Tabuthema mehr. Im Gegenteil, sie wird werbewirksam verkauft. Eva Brumlop hat die Konzepte kritisch unter die Lupe genommen

Frauenförderung in der privaten Wirtschaft ist längst kein Tabuthema mehr. Im Gegenteil, sie wird werbewirksam verkauft. EVA BRUMLOP hat die Konzepte kritisch

unter die Lupe genommen.

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as Thema „Frauenförderung“ ist gegenwärtig in aller Munde. Kaum eine Einzelgewerkschaft, kaum eine politische Partei, die das Thema „Frauenförderung“ nicht in ihr Programm aufgenommen hat. Und auch bei den privaten ArbeitgeberInnen ist Frauenförderung längst kein Tabuthema mehr. Gleichwohl wächst die Zahl der Unternehmen, die sich mit Chancengleichheitsprogrammen schmücken können, nur zögernd. Waren Mitte der achtziger Jahre schätzungsweise 40 bis 50 Unternehmen in der alten Bundesrepublik bekannt, die Frauenförderung in ihr Programm geschrieben hatten, so ist diese Zahl nach unseren Erhebungen heute auf rund 80 Unternehmen angewachsen.

Wenig hat sich im Vergleich zu den frühen achtziger Jahren an der Konzentration der in Sachen Frauenförderung aktiven Unternehmen auf eine kleine Zahl meist expandierender Branchen (Chemie, Metall, Handel, Banken, Versicherungen und andere) geändert. Dies wird auch in Zukunft so bleiben, denn es sind weitgehend dieselben prosperierenden Großunternehmen, die Frauenförderung planen.

Es bleibt ein massives Defizit an Frauenförderung in Branchen, in denen Frauen massenhaft beschäftigt sind, sowie in weniger florierenden beziehungsweise in Strukturkrisen befindlichen Frauenbranchen und Betrieben. Lediglich das Nahrungs- und Genußmittelgewerbe stellt als ein Wirtschaftszweig mit hohem Frauenanteil eine positive Ausnahme dar.

Als eindeutiger Schwerpunkt betrieblicher Frauenförderung haben sich in den vergangenen Jahren Regelungen zur sogenannten Vereinbarkeit von Beruf und Familie herausgebildet. An zweiter Stelle rangieren Regelungen zur Flexibilisierung und Deregulierung der Arbeitszeit, überwiegend in Form von Teilzeitarbeit. Programme zur Aus-, Fort- und Weiterbildung stellen nicht nur zahlenmäßig weniger relevante Handlungsfelder betrieblicher Frauenför-

derung dar. Sie sind in ihrer Unverbindlichkeit kaum mehr als symbolhafte Absichtserklärungen mit beschränkter Folgenhaftigkeit.

Es überrascht nicht, wenn auch zentrale Dimensionen der Benachteiligung von Frauen, wie Lohndiskriminierung, gesundheitlich belastende Arbeitsbedingungen oder — mit familiären Verpflichtungen kaum in Einklang zu bringende — Strukturen der Arbeitsorganisation, von betrieblichen Frauenförderprogrammen bisher weitgehend ausgespart blieben .

Elternurlaub selten mit Rückkehrgarantie

Programme zur „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ richten sich an Mütter und Väter, die ihre Erwerbsarbeit im Anschluß an den gesetzlichen Erziehungsurlaub weiterhin unterbrechen und nach einem bestimmten Zeitraum wiederaufnehmen wollen. Dieser Zeitraum beträgt bei einzelnen Unternehmen bis zu sieben beziehungsweise zehn Jahren. Allerdings ist die Inanspruchnahme einer Freistellung in der Regel mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses verbunden. Eine Rückkehrgarantie auf der Basis eines ruhenden Arbeitsverhältnisses wird selbst von Großbetrieben nur ausnahmsweise gegeben. Wenn sich die wirtschaftlichen Bedingungen für den Betrieb in der Zwischenzeit verschlechtern oder der Betrieb rationalisiert hat, kann die Zusage widerrufen werden. Rechtsprechung gibt es bisher zum Thema „Wiedereinstellung“ keine.

Hinzu kommt, daß im Falle einer Wiedereinstellung ein Anspruch auf den früheren Arbeitsplatz nicht besteht. Wenn zum Zeitpunkt des Wiedereintritts von seiten des Betriebs kein dem früheren „gleichwertiger“ Arbeitsplatz angeboten werden kann, müssen sich die BerufsrückkehrerInnen mit anderen „zumutbaren Arbeitsplätzen“ begnügen, das heißt auch eine Verschlechterung ihrer bisherigen Arbeits- und Einkommenssituation akzeptieren. Diese „Risiken“ haben zur Folge, daß fast nur Frauen diese Angebote in Anspruch nehmen, und hier wiederum nur diejenigen, die weder zu gravierende Qualifikationseinbußen befürchten müssen noch auf ein kontinuierliches eigenes Lohnarbeitseinkommen angewiesen sind.

Für alleinerziehende Frauen oder solche mit dezidierten Karriereplänen kommt eine mehrjährige Unterbrechung ohnehin nicht in Frage. So droht ein vielversprechendes Konzept, das Frauen allgemein neue Perspektiven der Vereinbarkeit von Beruf und Familie suggeriert, zu einem Mutter-Kind-Programm für eine Minderheit zu degenerieren. Den Unternehmen wächst hingegen ein Regulierungsinstrument der Personalpolitik zu, das sie, je nach Arbeitsmarktlage, entweder zur selektiven Ausgliederung von RückkehrerInnen nutzen oder mit dessen Hilfe sie die jeweils geeignetsten KandidatInnen aus dem Pool der Rückkehrwilligen für eine innerbetriebliche Aufstiegsförderung auswählen können.

Die Tücken der Teilzeitarbeit

Als Alternative zur Berufsunterbrechung wird von den Unternehmen vielfach das Angebot von Teilzeitarbeit gepriesen. Sie scheint — vordergründig betrachtet — die Arbeitsmarktchancen von Frauen zu erhöhen, indem sie einen alternativen Weg zur Vereinbarung von Beruf und Familie eröffnet. Bei näherer Betrachtung erweist sich dieser Weg jedoch eher als tückisch. Zwar finden sich in vielen Programmen Formulierungen, mit denen den individuellen Optionen von Beschäftigten auf Verkürzung ihrer Arbeitszeit anstelle oder nach der Freistellung wegen der Geburt eines Kindes Rechnung getragen werden soll. Diese Absichtserklärungen werden jedoch meist wieder durch Zusätze konterkariert, die einen Anspruch auf Teilzeitarbeit nur im Rahmen der „gegebenen betrieblichen Möglichkeiten“ einräumen.

Die Gleichstellung von Teilzeitarbeitenden mit Vollzeitarbeitenden ist inzwischen fester Bestandteil fast aller Programme. Diese erfreuliche Entwicklung wird allerdings in ihrer positiven Wirkung dadurch eingeschränkt, daß die Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit immer noch auf ein enges Berufsspektrum, und hier vor allem auf die gering qualifizierten Tätigkeiten am unteren Ende der beruflichen Hierarchie, beschränkt sind. Teilzeitarbeit auch für qualifizierte Positionen bieten explizit nur wenige Unternehmen an. Solange Teilzeitarbeit nicht allen Berufsgruppen offensteht, berufliche Weiterbildungs- und Aufstiegschanchen kaum bestehen, ist Teilzeitarbeit mit dem Stigma des geringen sozialen Status, dem Verzicht auf Karriere behaftet.

Gleichstellungsbeauftragte mit Alibifunktion

Zwar hat knapp ein Drittel der von uns befragten Unternehmen eine Berichterstattungspflicht in ihre Vereinbarungen aufgenommen, doch ohne entsprechende Sanktionsmaßnahmen für den Fall, daß Frauenförderpläne nicht oder nur unzureichend erstellt werden. Eine Minderheit von Betrieben hat für diesen Zweck gezielt Gremien wie beispielsweise betriebliche, meist paritätisch besetzte Kommissionen und Ausschüsse oder Frauenbeauftragte ins Leben gerufen. Als höchst ambivalent muß die Funktion der Frauen- oder Gleichstellungsbeauftragten eingeschätzt werden, sofern sie von Unternehmen ernannt und nicht von der Belegschaft gewählt wird. Sie ist normalerweise beim Vorstand angesiedelt, hat keine wirklichen Entscheidungskompetenzen, sondern nur begleitende und/oder beratende Funktionen. Aber selbst dann, wenn Frauenbeauftragte vom in der Regel männlichen Betriebsrat und der Unternehmensseite gemeinsam zur Sachfrau berufen werden — wie im Fall der bei der Volkswagen AG eingerichteten „Stabsstelle für Frauenförderung“ —, haben sie meist Kompetenzprobleme, besteht die Gefahr, daß sie vor allem als Feigenblatt fungieren.

Die Männer sind gefragt

Abgesehen davon, daß es sicherlich eine Reihe gutwilliger, ernsthaft bemühter Vertreter des Gleichstellungsgedankens in den Personalvorständen großer Firmen gibt, lassen die bisher vorliegenden Konzeptualisierungen betrieblicher Frauenförderung doch eher befürchten, daß es hier um handfeste Unternehmensinteressen geht: um die Sicherung der „Personalressource Frau“ in einer Zeit wachsender ökonomischer Unsicherheit und Unübersichtlichkeit.

Statt dessen wäre es dringend notwendig, Konzepte zu entwickeln, die nicht nur auf eine kleine Gruppe qualifizierter oder auf Familiensubsidiarität gestützter Frauen zugeschnitten sind, sondern die auch der großen Zahl von Frauen bessere Chancen für eine Vereinbarkeit von qualifizierter Erwerbsarbeit und Familie eröffnen.

Positive Ansätze zur Weiterentwicklung bestehender Programme finden sich dort, wo Unternehmen — oft gemeinsam mit Gewerkschaften — bestrebt sind, Wiedereinstellungszusagen auf der Basis eines ruhenden Arbeitsverhältnisses zu geben, allerdings um den Preis kürzerer Freistellungszeiten. Damit könnte das Risiko, daß sich der sogenannte Elternurlaub als Instrument selektiver Ausgliederung erweist, gemindert werden. Männer könnten so eher zur zeitweisen Übernahme von Familienaufgaben motiviert werden.

Ähnliches gilt für Überlegungen, Teilzeitregelungen auch für qualifizierte Tätigkeiten bis hin zu Führungspositionen anzubieten. Wenn derartige Überlegungen nicht nur in Gewerkschaftskreisen, sondern selbst in Zeitschriften wie 'Capital‘ propagiert werden, die des kapitalismus- und patriarchatskritischen nicht allzu verdächtig sind, dann gibt es gewisse Hoffnungen, daß sich hier ein Bewußtseinswandel anbahnt.

Positiv ist auch zu werten, daß die Mehrzahl der jüngeren Frauenförderprogramme entweder betriebs- oder gar tarifvertraglich abgesichert sind. Damit zeichnet sich im Vergleich zu früheren Initiativen eine Tendenz zu rechtsverbindlichen, einklagbaren Regelungen ab.

Allerdings wäre es verfehlt, zu glauben, allein durch derartige Korrekturen ließen sich die grundlegenden Probleme der Diskriminierung von Frauen im Erwerbsleben lösen. Solange Männer diese Überlegungen nicht auch für sich attraktiv finden und als Anstoß zur Veränderung ihrer überwiegend einseitig berufsorientierten Lebenskonzepte nutzen, wird sich an der traditionellen Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern nichts ändern. Frauen werden keine wirkliche Wahlfreiheit haben, sondern nach wie vor gezwungen sein, sich entweder einseitig für die Familienarbeit oder die Berufsarbeit, oder aber für die „fatale Situation der permanent Überforderten, doppelt und dreifach Belasteten mit oft dauerhaft schlechtem Gewissen“ (Pfarr 1992) entscheiden zu müssen.

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