: Israel und chinesischer Pragmatismus
Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und China/ Militärische Zusammenarbeit besteht schon länger/ Yang Fuchang fährt zu Nahost-Gesprächen nach Moskau ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
China und Israel haben gestern den Austausch von Botschaftern vereinbart. Der israelische Außenminister David Levy und sein chinesischer Amtskollege Qian Qichen unterzeichneten in Peking den Vertrag über die Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen und priesen diesen anschließend als „Meilenstein“, „historischen Augenblick“ und „Beginn einer neuen Ära in den beiderseitigen Beziehungen“.
Mitglieder der israelischen Delegation um Levy hatten bereits zuvor von einem „neuen Pragmatismus der Chinesen in bezug auf den Nahost- Konflikt“ gesprochen. Chinas Vize- Außenminister Yang Fuchang, der in der kommenden Woche an den multilateralen Nahost-Gesprächen in Moskau teilnehmen wird, erklärte, seine Regierung wolle ihren Einfluß bei den arabischen Staaten geltend machen, um den Friedensprozeß voranzubringen.
Wie es aus israelischen Regierungskreisen heißt, hat China noch bis vor kurzer Zeit eine internationale Nahost-Konferenz unter Schirmherrschaft des Weltsicherheitsrates befürwortet, was Israel stets zurückgewiesen hatte. Doch seit der Konferenz von Madrid sei die Haltung Chinas pragmatischer geworden, es unterstütze nun direkte Gespräche zwischen den verschiedenen Seiten des Konfliktes.
Trotz der konzilianten Haltung gegenüber dem Westen seit dem Ende des Kalten Krieges und im Golfkrieg gilt China in Israel immer noch als pro-arabisch und pro-palästinensisch — die PLO hat weiterhin in Peking eine diplomatische Vertretung — und als Befürworter einer Zwei-Staaten-Lösung, die sowohl von Israel als auch von den USA abgelehnt wird. Überdies fordert die chinesische Regierung weiterhin den Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten entsprechend der UNO- Resolutionen242 und 338.
Die überwiegende Mehrheit der arabischen Staaten habe allerdings deutlich gemacht, erklärte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Wu Jimin, daß „sie die Normalisierung zwischen China und Israel verstehen“. Übrigens hat die saudi-arabische Regierung in dieser Woche eine Delegation jüdischer US-AmerikanerInnen empfangen und dabei erklärt, das Existenzrecht Israels sei unbestritten.
Eher skeptisch reagieren Experten auf die hoffnungsvolle — und offenbar unter dem Eindruck des „historischen Ereignisses“ geäußerte — Erklärung Levys, China werde möglicherweise weniger Waffen an die arabischen und islamischen Staaten liefern. China soll seit 1983 Waffen und Nukleartechnologie an Länder wie Syrien, den Irak, Algerien, den Iran und Pakistan im Umfang von etwa elf Milliarden US-Dollar verkauft haben.
In der Diskussion über die chinesisch-israelischen Beziehungen kommt allerdings ein Thema nicht vor: die enge militärische Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten, die nach Informationen ausländischer Beobachter bereits seit mehr als zehn Jahren besteht. Bereits im Jahr 1984 hatte die 'Jane's Defense Weekly‘ geschätzt, daß der Umfang des Transfers von Militärtechnologie und Waffenverkäufen drei Milliarden Dollar betrug. Keine Seite ist bereit, dies zu kommentieren, aber es gab ebenfalls kein Dementi. Im vergangenen November reiste der israelische Verteidigungsminister „stillschweigend“ nach Peking, beide Staaten bestätigten den Besuch erst im nachhinein und nur zögernd.
Als David Levy in Peking ankam, gratulierte der Knesset-Abgeordnete der Arbeiterpartei und Ex-Verteidigungsminister Ezer Weizman per Telefon dem pensionierten Likud- Chef Menahim Begin dafür, daß er, kurz nachdem Likud die Macht von der Arbeiterpartei im Jahre 1977 übernommen hatte, erste Schritte in Richtung auf die Normalisierung mit China unternommen hatte. Die ersten Geschäftskontakte, von Begin ermutigt, entwickelten Firmen des Konzernchefs Saul Eisenberg. Der Konzern, der eine seiner Zentralen in Tel Aviv hat, verfügt über Zweigstellen und Geschäftsverbindungen in der ganzen Welt, insbesondere aber im Fernen Osten. Israel hofft, eine Reihe von Gemeinschaftsunternehmen mit China zu entwickeln, darunter in der landwirtschaftlichen Modernisierung ebenso wie im Bereich Bewässerung und Umwandlung von Wüsten und ariden Zonen in landwirtschaftlich nutzbaren Boden.
Nach Informationen von David Kimche, einem ehemaligen hochrangigen Mossad-Mitarbeiter, Ex- Staatssekretär im Außenministerium und einem der multinationalen Direktoren von Saul Eisenberg, erhofft sich China von der Normalisierung mit Israel vor allem auch eine positive Wirkung auf das Verhältnis zu den USA. Die chinesische Regierung glaube, dazu könne sich der Einfluß der jüdischen Lobby im US- amerikanischen Kongreß und im Weißen Haus als sehr nützlich erweisen. Dabei ständen wirtschaftliche Erwägungen der Chinesen noch vor dem politischen Interesse im Zusammenhang mit den Nahost-Friedensverhandlungen, meint Kimche.
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