: Kein Vorhang für Duchac
■ Der ehemalige Ministerpräsident und Laienschauspieler muß beim Verlassen der politischen Bühne auf tosenden Beifall verzichten/ Eine Rezension seiner Auftritte
Nur einem einzigen kongenialen Kollegen des Laienschauspielers und Thüringer Ministerpräsidenten, Josef Duchac, gelang das große Finale. Dem Amerikaner Ronald Reagan. Der spielte seine größte Rolle bis zum Jubel-Ende und verließ unter tosendem Beifall die politische Bühne. Jeder andere Mime aber, der das Kostüm des Berufspolitikers übergeworfen hatte, scheiterte schmählich. Auch Nero hielt sich für einen großen Tragöden. Am Ende brannte dann Rom. In Thüringen brannte es nun auch. Glücklicherweise nur unter den Nägeln der CDU-Landtagsabgeordneten. Sie wollten die Altlast Josef Duchac loswerden.
Eine eigenartige politische Vita nahm gestern ihr Ende. Kurz nach der Wende trat der vertriebene Sudetenländer zum ersten Mal ins Blickfeld der landesweiten Öffentlichkeit. Großes Kopfschütteln landauf, landab, warum Lothar de Maizière ausgerechnet diesen Mann zum Landesbeauftragten der letzen DDR-Regierung für Thüringen berufen hatte. Duchac, bis zur Wende Mitglied des Rates des Kreises Gotha für Wohnungspolitik und Kreisvorsitzender der CDU, galt als konsequenter Vertreter der DDR-Politik.
Bürger, die er angehalten hatte, ja nicht die letzte Wahl zu schwänzen, traten alsbald auf. „Ohne Wahl keine Wohnung“, sei die Devise des CDU- Politikers gewesen. Mit Wahl freilich in den meisten Fällen auch keine. Dann die Wortmeldung von Teilnehmern der letzten DDR-Jubelfeier zum 40.Jahrestag in Gotha. Als Rezitator des Lob- und Preisgedichtes „Ein Staat, der so geliebt ist und geehrt, ist unser Staat, und dieser Staat sind wir“, ein Mann namens Josef Duchac.
Zuerst stritt er ab. Dann, unter der Last der Beweise, die Relativierung. Mit knirschenden Zähnen und die Fäuste in der Tasche geballt, habe er rezitiert. Er war schließlich Hauptdarsteller am Arbeitertheater in Gotha und hatte jenem Rezitatorenauftrag Folge zu leisten. Auch den Faust hatte er gegeben, wie den Parteisekretär im sowjetischen Zeitstück Havarie.
Als Clown Ferdinand vor der Stasi aufgetreten
Auch Lustiges noch kam an den Tag. In einem Stasi-Erholungsheim ist er aufgetreten, als Clown Ferdinand. Er habe hernach Hausverbot erhalten von den grimmigen Geheimen, gibt er als Entschuldigung an. Widerständler also auch noch. Schließlich der Beweis langjähriger Mitgliedschaft in den Kampfgruppen der Arbeiterklasse und damit Teilnehmer zahlloser, zwar nur fiktiver, aber immer siegreicher Schlachten gegen den bösen Klassenfeind.
Nicht in der für die DDR eher normalen Entwicklung sah der hiesige Wahlmensch das Problem des Mannes Duchac, sondern in dem permanenten Versuch, augenzwinkernd Komplizenschaft zu organisieren. „Wir waren doch alle keine Helden.“ Zugegeben. Aber alle, bis auf ihn, haben dann wenigsten den Heldenmut bewiesen, auf das Amt des Ministerpräsidenten zu verzichten. Er aber nicht. Stellte sich so dreist wie gottesfürchtig an die Spitze Thüringens und verstand bald die Welt wegen der zunehmenden Kritik auch aus den eigenen Reihen nicht mehr.
Zu all der Vergangenheit dann noch die Gegenwart. Die bösen Worte von Inkompetenz und Führungsschwäche machten immer häufiger die Runde. Das Staatsschiff Thüringen, trotz beachtlicher CDU- Politiker und günstiger Voraussetzungen in den Aufwind zu gelangen, dümpelte nur noch vor sich hin. Und nun das politische Ende Duchacs. Was bleibt? Das Bild eines Mannes, der sich eingerichtet hatte, wie fast alle, der aber im Gegensatz zu fast allen nicht bereit war, seinen Preis zu zahlen für die Vergangenheit. Er muß ihn ja auch weiterhin nicht zahlen. Nur gehen muß er. Die hohe Rente und die Abgeordnetendiäten aber bleiben. Er wird wohl gut damit auskommen, wie das Land ohne ihn.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen