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Duchac tritt abRückzug in die Bütt

■ Als ihm die eigene Fraktion das Vertrauen entzog, sah sich der seit langem umstrittene Thüringer Ministerpräsident Duchac zum Rücktritt gezwungen. Büttenredner Josef Duchac kann sich nun ganz dem...

Rückzug in die Bütt Als ihm die eigene Fraktion das Vertrauen entzog, sah sich der seit langem umstrittene Thüringer Ministerpräsident Duchac zum Rücktritt gezwungen. Büttenredner Josef Duchac kann sich nun ganz dem Karneval widmen

AUS ERFURT HENNING PAWEL

Es war die klassische Palastrevolte. Die Paladine aber konspirierten nicht heimlich gegen Thüringens Ministerpräsidenten Josef Duchac. Offen kündigten sie ihm nun endlich ihre Gefolgschaft. Während der Landesvater noch am Morgen mit gewohnt geheimnisvollem Lächeln über das Gelände der Grünen Woche in Berlin eilte und seiner großen Freude über den täglichen Verkauf von dreitausend Thüringer Bratwürsten Ausdruck verlieh, war sein Schicksal schon besiegelt.

Drei Mitglieder des Thüringer Kabinetts, Kultusministerin Christine Lieberknecht, Finanzminister Klaus Zeh und der Minister für besondere Aufgaben, Jochen Lengemann — sämtlich als CDU-Reformer bekannt —, drohten für den Fall des weiteren Verbleibs von Josef Duchac im Amt mit ihrem Rücktritt. Mit diesem Coup kamen sie dem des Ministerpräsidenten zuvor. Der nämlich hatte vor, sich durch eine Regierungsumbildung Luft zu verschaffen, um sich neben dem ätzenden Altlast-Vorwurf auch von dem der Führungsschwäche in Permanenz zu befreien.

Die Reformer waren diesmal schneller und nutzten die Bratwurstseligkeit des Landesvaters, um zu handeln. Drei Stunden debattierte am Donnerstag abend die CDU- Fraktion auf einer Sondersitzung das Für und Wider eines Rücktrittes der Regierung.

Und endlich, nach Monaten unaufhörlicher Eigendemontage, nach Dementis, Klagen, Gegendarstellungen und einer sich immer mehr vertiefenden Regierungskrise, die längst fällige Entscheidung: Josef Duchac, der noch immer nicht bereit war, die Konsequenzen zu ziehen, hatte auch in dieser Sitzung wieder die Vertrauensfrage gestellt. Doch diesmal erhielt er von den 42 Mitgliedern seiner Fraktion nur noch fünfzehn Stimmen.

„Einen Schuß hat Thüringen noch, und der muß sitzen“, orakelte Kultusministerin Christine Lieberknecht schon auf dem Dresdner CDU-Parteitag. Nun endlich, nach all den Rohrkrepierern der letzten Monate, ging der Böller hoch und beförderte den schwarzen Fürsten des grünen Herzen Deutschlands vom Thron. Noch am späten Abend trat Duchac vor die Presse und gab bekannt, er werde beim Landtagspräsidenten, Dr. Gottfried Müller, um seinen Rücktritt nachsuchen.

Die Diskussion über Duchacs Nachfolge, schon seit langem im vollem Gange, wurde auch Donnerstag abend mit der bei Thüringens CDU üblichen Geheimnistuerei betrieben. Das Kandidatenkarussell dreht sich längst. Man strebt partout, schon aus Sorge um die Pfründe, eine Thüringer Lösung an. Der CDU-Politiker des Landes mit dem meisten Format zum Regierungschef, Dr. Gottfried Müller, hat schon abgewunken. Das Parlament, in dem er unverzichtbar ist, wird es dem integrativen Mann zu danken haben.

Als weiterer heißer Favorit wird der Zeiss-Manager Lothar Späth gehandelt. Doch auch er zeigt, zumindest verbal, keine Ambitionen. Der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler taucht wieder einmal aus der Versenkung auf, der ehemalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Bernhard Vogel ist im Gespräch, und der Eichsfelder Abgeordnete Dieter Althaus, der zu den profiliertesten und reformfreudigsten Angehörigen der CDU-Fraktion zählt.

Die Dienstreise des Ministerpräsidenten Josef Duchac ist nun zu Ende. Mit ihr sind hoffentlich auch jene eigenartigen Strukturen dahin, die der scheidende Dienstreisende installierte und die im Land als „Karnevals-Connection“ bekannt waren. Der Gothaer Karnevalsverein regierte Thüringen, jedenfalls große Teile des Landes, so die Meinung vieler Insider.

Duchac und sein Neffe, der Bürgermeister von Waltershausen, Landräte und andere Funktionsträger gehören jener so fröhlichen wie omminösen Bruderschaft an. Im Hintergrund sogar ein Thüringer Rasputin, der katholische Pfarrer Sammet aus Ilmenau, der noch auf dem CDU-Parteitag in Dresden aus Rettungsgründen über die Seelenqualen des Josef Duchac in Vorwendezeiten palaverte und der als die graue Eminenz hinter dem nun gestürzten Thüringer Kabinett galt.

Für das gebeutelte Thüringen kommen hoffentlich bald bessere Tage, bittere Tage freilich für Josef Duchac, doch auch schon Tröstliches für ihn am Horizont. Die tollen Tage ziehen mit Macht herauf. In ihrem Flitter wie in ihren Bütten könnte er nun endlich den Beifall erhalten, der ihm im seriösen Fach versagt werden mußte.

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