: Stasi auf Torjagd
■ Torsten Gütschow, Stürmer vom Bundesligisten Dynamo Dresden, wurde als Stasi-Spitzel enttarnt
Dresden (dpa) — Torsten Gütschow, 29jähriger Stürmerstar des Bundesligisten Dynamo Dresden, hat zugegeben, zwischen 1981 und 1989 rund 60 Mannschaftskameraden, Trainer und Funktionäre für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) bespitzelt zu haben. Unter der Registrier-Nummer XII 1982/81 wurde Gütschow seit dem 10.August 1981 bei der Stasi-Bezirksverwaltung als Informeller Mitarbeiter Sicherheit (IMS) in Dresden geführt. Gütschow ist der erste noch aktive Sportler, der als Stasi-Mitarbeiter enttarnt worden ist. Zuvor flogen bereits Weitsprung-Olympiasieger Lutz Dombrowski aus Chemnitz (1980) und Pferdsprung-Olympiasieger Klaus Köste aus Leipzig (1972) auf.
„Ich wurde als 17jähriger von der Stasi vor die Wahl gestellt — entweder Trennung von der Freundin Andrea, meiner heutigen Frau, oder Mitarbeit als Spitzel“, wird Gütschow von der 'Dresdner Morgenpost‘ zitiert. „Die Liebe war stärker. Ich habe unterschrieben. Aber seitdem habe ich nur noch in Angst gelebt.“ Das Blatt veröffentlicht ein Faksimile der von Gütschow unterzeichneten handschriftlichen Verpflichtungserklärung. Er soll unter dem Decknamen „Schröter“ tätig gewesen sein. Zu den von Gütschow observierten Personen gehören unter anderem Dynamo-Präsident Wolf-Rüdiger Ziegenbalg, sein früherer Mannschaftskamerad und späterer Trainer Reinhard Häfner sowie die Bundesliga-Stars Matthias Sammer (VfB Stuttgart) und Ulf Kirsten (Bayer 04 Leverkusen).
„Das war schon ein Schock für mich“, so die erste Reaktion von Ralf Minge, des jetzigen Assistenztrainers in Dresden, der mit Gütschow jahrelang in einem Team stand. „Das ist ein Vertrauensbruch. Ich werde Torsten trotzdem die Hand reichen“, meinte Reinhard Häfner gegenüber der 'Morgenpost‘. Konsequenzen von Seiten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat Gütschow im Moment noch nicht zu fürchten. „Der Verband wird sich aus dieser Angelegenheit heraushalten. Das ist in erster Linie eine Sache für Dynamo Dresden als Arbeitgeber“, sagte Pressesprecher Wolfgang Niersbach.
Gütschow, so hat es den Anschein, war von der Stasi erpreßbar. Die Eltern seiner damaligen Freundin Andrea Marschik hatten einen Ausreiseantrag gestellt. Seine jetzige Frau war außerdem zuvor mit Peter Kotte liiert. Der Dynamo-Stürmer war 1981 wie Matthias Müller als angeblicher Mitwisser der Republikflucht von Gerd Weber auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld festgenommen worden. Einen direkten Zusammenhang zwischen der aufgeflogenen Flucht und Gütschow scheint es jedoch nicht zu geben: Die Verhaftung war im Februar, der Kontrakt zwischen der Stasi und Gütschow datiert vom Spätsommer 1981.
Über Präsident Ziegenbalg hatte Gütschow seinem Führungsoffizier Andreas Claus von der Abteilung XX der Dresdner Stasi zu DDR-Zeiten unter anderem berichtet, daß er über Westgeld verfüge, einen Video-Recorder besäße und Kleidung trüge, die es nur im Intershop zu kaufen gebe. Reinhard Häfner observierte Gütschow in einem Ferienhotel am Plattensee, als er Kontakt zu „Westbürgern“ pflegte.
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