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Kein Gold für Ghana

■ Die Mannschaft der Elfenbeinküste gewann nach zähem Elfmeterschießen gegen Ghana den Afrika-Cup

Dakar (taz) — Anthony Baffoe bekreuzigte sich dreimal und schnaufte erleichert. Gerade hatte der Mannschaftskapitän von Ghana den ersten Elfmeter verwandelt und im Elfmeterschießen gegen die Elfenbeinküste zum 1:1 ausgeglichen. Fünfzehn Minuten und 22 Elfmeter später blieb der Düsseldorfer mit versteinerter Miene im Strafraum stehen. Beim Stand von 10:11 gegen Ghana hatte er ein zweites Mal antreten müssen und verschossen.

So wurde die Elfenbeinküste zum 18.Afrikameister, das hochgehandelte ghanaische Team des deutschen Trainers Otto Pfister war nur Zweiter. Im entscheidenden Moment fehlte Ghana Abedi Pelé, der wegen zweier gelber Karten im Finale zusehen mußte. Ohne den etatmäßigen Mannschaftskapitän aber zerfiel das gesamte Spiel, fehlte der Akteur, der Ghana fast im Alleingang bis ins Finale gebracht hatte.

Die torlosen 120 Minuten, das langwierige Elfmeterschießen und der Pokalgewinn für den Außenseiter waren ein bezeichnender Ausgang des Afrika-Cups. Die Elfenbeinküste hatte zuvor niemals auch nur ein Endspiel erreicht, der Titelgewinn in Dakar war eine bemerkenswert minimalistische Leistung: Vom Viertelfinale an gingen die Spiele der Elfenbeinküste nach trostlosen 90 Minuten in die Verlängerung, nur das erste wurde dann durch einen Treffer entschieden, die beiden nachfolgenden erst im Strafstoßschießen.

Unter den letzten acht Mannschaften war die Elfenbeinküste die afrikanischste. Trainiert vom einheimischen Yeo Martial überzeugte sie mit verwirrendem Kurzpaßspiel und teilweise sensationeller Balltechnik, war aber ohne den verletzten Mittelstümer Yussuf Fofdana (AS Monaco) auch erbärmlich schwach im Anschluß. Das gesamte Turnier litt unter einer beeindruckenden Torflaute, in den 20 Spielen fielen nur 30 Treffer. Auch das trug dazu bei, daß schon lange vor dem Finale die Begeisterung vieler europäischer Beobachter für die Ballzauberer aus Afrika merklich abgekühlt war.

Die These, daß die Zukunft des Fußballs in Afrika zu finden sei, hatte das Interesse an der Afrikameisterschaft im Senegal außerhalb des schwarzen Kontinents in bislang nicht gekannte Dimensionen gesteigert. Scharen von Spielervermittlern und Journalisten hatten sich in Goldgräberstimmung in Dakar versammelt — um bald unisono dem banalen Spruch zu huldigen, daß eben doch nicht alles Gold ist, was aus der Ferne glänzt. Ohnehin, so sagen technische Fußball-Entwicklungshelfer wie der seit zwanzig Jahren in Afrika arbeitende Peter Schnittger, „werden Afrikas Fußballer mittlerweile überschätzt“.

Zudem gerät aus dem Blickwinkel Europas leicht in Vergessenheit, wie komplex die Situation in Afrika selbst ist. Viel enger als in Europa ist die Entwicklungsfähigkeit des Fußballs an den Zustand jedes Staates und die Befindlichkeit einer jeden Regierung geknüpft. „Nur die Tore von Roger Milla bei der Weltmeisterschaft in Italien haben vor zwei Jahren eine Revolution in Kamerun verhindert“, meint Schnittger. Für ein demokratisch geprägtes Verständnis ist Fußball in Afrika in grotesker Art und Weise ein Politikum. Regierungen stehen und fallen mit den Erfolgen ihrer Nationalmannschaften, schreiben sich selbst Siege zu und wechseln bei Niederlagen beleidigt ganze Sportministerien, entlassen Trainer und kappen sonstige Unterstützungen.

Während des zweiwöchigen Afrika-Cups hat es in drei von zwölf Teilnehmerländern (Algerien, dem Kongo und Zaire) Staatsstreiche respektive schwere Unruhen gegeben. Das ist nicht ungewöhnlich, sondern bezeichnend. Neue Machthaber aber neigen dazu, erst einmal alles hinfällig werden zu lassen, was ihre Vorgänger vielleicht tatsächlich an Aufbauarbeit möglich gemacht haben. Und das gilt immer auch für den Sport.

Während sich die Nationalmannschaften als Teil des Staatsapparates zumeist noch über einigermaßen funktionierende Arbeitsbedingungen freuen können, bleibt der Unterbau in den Vereinen in der Regel ein verkümmertes Etwas. Und jeder Spieler, der sich erfolgreich durch dieses desorganisierte System an die Spitze gekämpft hat, hat nur das Ziel, nach Europa transferiert zu werden. Ein Drittel der Spieler beim Afrika-Cup kamen bereits von europäischen Vereinen. Doch trotz dieser großen Zahl von Profis sackte das Spielniveau im Laufe des Afrika-Cups kontinuierlich ab. „Eigentlich kann das nur physiologische Gründe haben“, meinte Schnittger. „Keine Elektrolytgetränke, keine Aufbaupräparate...“, und fügte seufzend an: „Afrika redet immer von Weltfußball, aber davon sind sie noch sehr sehr weit entfernt.“ Katrin Weber-Klüver/

Christoph Biermann

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