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UNO-Friedensplan droht vorzeitiges Aus

■ UNO-Vertreter Goulding kann serbische Minderheit in Kroatien nicht zum Kompromiß bewegen

Belgrad (ap/taz) — In den letzten Wochen galt der UNO-Friedensplan für viele in Jugoslawien als Synonym für Hoffnung, seit Montag droht er, zur Makulatur zu werden: Denn dem stellvertretenden UNO-Generalsekretär Marrack Goulding ist es nicht gelungen, Milan Babic, den selbsternannten Präsidenten der „Serbischen Republik Krajina“, zur Annahme des Friedensplanes zu bewegen. Nach dem Gespräch am Montag in Knin, der Hauptstadt des überwiegend von Serben bewohnten Gebietes Krajina in Kroatien, erklärte Goulding, die „unversöhnliche“ Haltung Babics könne zu einer Verzögerung der geplanten Stationierung von UNO-Friedenstruppen in Jugoslawien führen.

Die UNO hat die Entsendung der „Blauhelme“ aber abhängig gemacht von einem dauerhaften Waffenstillstand. Unterdessen teilten Vertreter der kroatischen Verteidigung mit, die jugoslawische Armee habe die Ortschaft Sustjepan bei Dubrovnik angegriffen.

Während Goudling dieser Tage quer durch das zusammenbrechende Jugoslawien tourt, trifft sich der serbische Vorsitzende des real nicht mehr existierenden jugoslawischen Staatspräsidiums, Borisav Jovic, in New York mit UNO-Chef Boutros Ghali und amerikanischen Politikern. Eine Zweigleisigkeit der serbischen Diplomatie, die für sich spricht: Da ist zum einen das Lager um den Serbenpräsidenten Milosevic und seiner zweiten Hand Jovic, und da gibt es das Lager einer konfusen Opposition, verkörpert durch Milan Babic.

Beide Seiten instrumentalisieren die Bemühungen der UNO für einen dauerhaften Frieden zwischen Kroaten und Serben. In einer gestern von der „Regierung“ der „Republik Krajina“ verbreiteten Erklärung wird der unverzügliche Abzug der EG- Beobachter gefordert und die Stationierung von UNO-Truppen nur am derzeitigen Frontverlauf akzeptiert. Unverhohlen erklärt man, die Krajina könne nicht mehr Teil Kroatiens bleiben, und die UNO-Truppen müßten „die neue Grenze“ des neuen „serbischen Staates Krajina“ gegen eine mögliche kroatische Aggression verteidigen. Bedingungen, die die Regierung in Zagreb nicht akzeptieren wird. Das weiß auch Babic.

Entscheidend wird in den nächsten Tagen die Position des Präsidenten der Republik Serbien, Slobodan Milosevic, sein, der den Friedensplan Anfang des Jahres unterschrieben hatte. Er könnte versuchen, durch eine Unterbrechung der für die Serben in Kroatien lebenswichtigen Lieferungen von Lebensmitteln aus seiner Republik die Landsleute zum Einschwenken auf den UNO-Kurs zu zwingen. Doch nachdem sich die einflußreiche Orthodoxe Kirche gegen Milosevic und auf die Seite der kroatischen Serben gestellt hatte, dürfte der „starke Mann“ Serbiens kaum diese Machtmittel anwenden können. Denn das käme einem politischen Selbstmord gleich.

Es gibt daher nach Meinung europäischer Diplomaten in Belgrad augenblicklich kein Mittel, um die Serben in Kroatien auf einen Kompromiß zu verpflichten. Wie die sich den Weg in ihre Zukunft vorstellen, beschreibt am Dienstag erstmals die wichtigste serbische Zeitung 'Politika‘ in Belgrad: Unter internationaler Kontrolle sollte eine Volksabstimmung unter den Serben durchgeführt werden. Auf dieser Basis sei dann die Abspaltung von Kroatien völkerrechtlich hinzunehmen. Demgegenüber haben die USA und die Europäische Gemeinschaft Milosevic wiederholt gewarnt, jede einseitige Änderung der innerjugoslawischen Grenzen durch seine Landsleute werde die Beziehungen zu Serbien noch mehr verschlechtern.

Kroatiens Präsident Franjo Tudjman ließ dieser Tage mehrmals verlauten, er sei nur für „vorübergehende Zugeständnisse“ an die serbische Seite bereit, um so als erstes einen dauerhaften Frieden zu sichern. Alle Detailfragen, insbesondere autonome Rechte für die serbische Minderheit Kroatiens, müßten danach durch Verhandlungen gelöst werden. Tudjman wörtlich: „Keinen Zoll kroatischen Bodens werden wir abtreten.“

Doch nicht nur in Belgrad weiß man, die kroatische Führung ist für Verhandlungen über „Grenzverschiebungen“ aufgeschlossen. Seit Monaten treffen sich im stillen Vertreter der kroatischen und serbischen Regierung, um „neue Staatsgrenzen auf Kosten Bosniens auszuhandeln“. So betrachtet es der Präsident der Republik Bosnien, Izetbegovic, der sich vor die Wahl gestellt sieht: Entweder teilen sich die beiden Machtzentren seine Republik auf, in der Serben, Kroaten und als größte Volksgruppe Muslimanen bunt zusammengewürfelt leben, oder der kroatische Krieg verlagert sich nach Bosnien. Glaubt man der mit Abstand seriösesten Tageszeitung Belgrads, der 'Borba‘, so ziehen alle drei Präsidenten eine Diskussion über eine „territoriale Neuordnung“ vor. Obwohl man sich in der Absicht einig sei, habe keiner der drei — Milosevic, Tudjman und vor allem nicht Izetbegovic — an den eigenen nationalen Plänen Abstriche gemacht. Deshalb sei es zu keinem für alle Seiten annehmbaren Kompromiß gekommen.

Die Opposition in allen drei Republiken weiß jedoch, sollten sich die drei Präsidenten verständigen, wäre ihnen der Zugriff auf die Macht auf lange Zeit verwehrt. Vor allem in Belgrad sehen die serbischen Oppositionsparteien die Zeit gekommen, Milosevic zu stürzen. Daraus machen die Oppositionsführer keinen Hehl. Für sie, so der charismatische Oppositionspolitiker Vuk Draskovic von der „Serbischen Erneuerungsbewegung“, ist Milosevic ein „Versager, der das serbische Volk in die Katastrophe führte“, der einen sinnlosen Krieg in Kroatien anzettelte, „um ein drittes Jugoslawien zu schaffen anstatt ein modernes Serbien“.

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