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Stolpe schätzte Bischof Krusche ein

■ Konsistorialpräsident berichtete 1982 ZK-Kirchensekretär über Magdeburger Bischof/ Aufgetauchtes Protokoll sorgt für Aufregung/ Kirchenhistoriker Besier bescheinigt Stolpe „geschicktes Verhalten“

Potsdam (dpa/ap/taz) — Der brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) hat bestätigt, am 3. Februar 1982 ein Gespräch mit dem damaligen ZK-Mitglied für Kirchenfragen, Rudi Bellmann, geführt zu haben. Damals soll sich Stolpe einem ZK-Gesprächsprotokoll zufolge über Bischof Werner Krusche geäußert haben. In dem Gespräch sollten „größere Ängste“ wegen des Führungswechsels in der evangelischen Kirche der DDR von Bischof Schönherr zu Bischof Krusche ausgeräumt werden, sagte Stolpe der 'dpa‘. Krusche wurde 1982 Vorsitzender des Kirchenbundes.

Der Ministerpräsident bezeichnete es gleichzeitig als „absolut unmöglich und nicht verantwortbar“, wenn nun Dokumente einzeln herausgezogen und als Wahrheit verkündet würden. Am Morgen hatte Kirchenhistoriker und Rektor der Kirchlichen Hochschule in Berlin, Gerhard Besier, von der Notiz des Gesprächs zwischen Stolpe und Bellmann berichtet. Das Papier vom Februar 1982 habe der Kirchenhistoriker Hans Hinrich Jenssen von der Humboldt-Universität bekanntgemacht. Bellmann gebe in dem Papier Stolpes Einschätzung über Krusche wieder. Der Bischof sei „zwar unberechenbar, aber von allen Seiten beeinflußbar“ bezeichnet. Besier erläuterte, eine als unberechenbar eingeschätzte Person habe für die SED als schwierig gegolten.

Stolpe kündigte an, sich noch am Dienstag mit Krusche über dieses Dokument zu verständigen. „Dies ist nicht meine Sprache und nicht meine Schrift. Ich habe den Text eben zum erstenmal gesehen“, sagte Stolpe. Gleichzeitig bekannte er, er rechne noch mit einer Reihe weiterer Veröffentlichungen dieser Art, da inzwischen ein „schwunghafter Handel“ mit den Dokumenten eingetreten sei. Es sei aber die Aufgabe aller, die Halbwahrheiten und Lügen in 40 Jahren DDR-Geschichte zurechtzurücken, sagte der Ministerpräsident. Der Kirchenhistoriker und Stasi- Kenner Besier sei von ihm um eine wissenschaftliche Aufarbeitung dieser Fragen gebeten worden.

Stolpe hatte am Vormittag vier Fraktionen des brandenburgischen Landtags zum Gespräch über seine Stasi-Bekenntnisse besucht. CDU- Fraktionschef Peter-Michael Diestel sagte anschließend, es seien noch viele Fragen offen. Das betreffe insbesondere den angeblichen Generalauftrag der Kirche an Stolpe zum Stasi-Kontakt. Weitere parlamentarische Schritte will die CDU nach Rücksprache mit dem Landesvorsitzenden Ulf Fink bekanntgeben. Die FDP hat ihrem Fraktionsvorsitzenden Rainer Siebert zufolge Stolpe bei seinem „ernsthaften Versuch, DDR- Geschichte differenziert aufzuarbeiten“, unterstützt. Dem Vernehmen nach hat die SPD-Fraktion Stolpe auch nach Bekanntwerden des „Bellmann-Papiers“ das Vertrauen ausgesprochen.

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