: Dicke Bretter
Er hat es nicht bereut, hat er neulich gesagt: nämlich Ulrich Roloff-Momin, daß er Kultursenator geworden ist. Aus aktuellem Anlaß — seinem einjährigen Dienstjubiläum als Senator — zog er gestern in der Kulturbrauerei Sredzkistraße persönlich Bilanz: Wir haben keine Chance, aber die nutzen wir.
Immerhin habe der Anfang gezeigt, daß im Bereich Kultur in der wiedervereinigten Stadt mehr erreicht als für möglich gehalten wurde. Es gab Neues allenthalben: Neue Leitungen, neue Rechtsformen, neue Profilierungen, neue Orientierungen. Andererseits gab es auch Probleme: Zum Beispiel bei der Personalreduzierung in den kulturellen Einrichtungen der östlichen Bezirke, für die der Anpassungsprozeß nicht ohne Einbußen verlief. Um so erfreulicher für den Senator, daß neueste Umfragen belegen, daß sich der Ostler deshalb nicht von kulturellen Erbaulichkeiten fernhält: Der Anteil der Ost-Besucher zum Beispiel im Deutschen Theater nimmt wieder zu.
Aber auch im Westen steht nicht alles zum Besten, schon gar nicht für die Bildenden Künstler, denen die Ateliers spekulationsbedingt gleich reihenweise gekündigt werden. Abhilfe soll hier ein Atelierbeauftragter schaffen, der leider beim gemeinnützigen Kulturwerk und nicht beim Ring Deutscher Makler angesiedelt ist.
Von ähnlichen Sorgen werden die freien Theatergruppen der Stadt geplagt, die sich mit explodierenden Mieten für Probe- und Auftrittsräume konfrontiert sehen. Was auch sein Gutes hat: Endlich soll mit der Privilegierung der Platzhirschen von der Theatermanufaktur am Halleschen Ufer Schluß sein. Literarische Lorbeeren heftet sich der Senator mit der lobenswerten Übernahme der Finanzierung der neu errichteten »literaturWERKstatt« im Majakowskiring ans Revers.
Die wirklich großen Sprünge nach vorne — abgesehen vom Engagement Daniel Barenboims — hängen noch im Gestrüpp der Politik: Ob Filmförderung oder Akademie der Künste Ost/West, das weitere Schicksal regelt der Staatsvertrag mit Brandenburg, und solche Verträge haben eine lange Leitung.
Einen langen Atem braucht auch der Senator, will er seine Vision vom weltoffenen Gemeinwesen Berlin verwirklichen, denn es gebe noch dicke Bretter zu bohren in Sachen Kultur — langsam, aber sicher.
Ganz sicher ist nur soviel: Die Finanzen sind katastrophal, und es kommt noch viel schlimmer in den nächsten zwei Jahren. Devise also: Mit weniger Geld und mehr Phantasie sich durch den Abgrund bohren. Viel Erfolg dabei für Ulrich Black& Decker.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen