: Die „Unworte“ des Jahres
Bonn (dpa) — Das Wort „ausländerfrei“ ist nach dem Urteil einer Jury aus Germanisten und Sprachwissenschaftlern das „Unwort“ des Jahres 1991 und das herausragende Beispiel für „inhumanen Sprachgebrauch“.
Die Kommission wählte das Wort aus 366 Vorschlägen aus, die seit Oktober 1991 auf eine öffentliche Umfrage eingegangen waren, berichtete der Urheber der Aktion, Prof. Horst Dieter Schlosser von der Universität Frankfurt/Main.
„Ausländerfrei“ und der zweitplazierte Begriff „durchraßte Gesellschaft“, der dem bayerischen Innenminister Edmund Stoiber (CSU) zugeschrieben wird, belegten, so Schlosser, die „nicht nur sprachlichen Entgleisungen“ in der aktuellen Asyldebatte. „Intelligente Waffensysteme“ als Ausdruck „mangelnder Sensibilität“ kam auf den dritten Rang, gefolgt von „Personalentsorgung“ und „Warteschleife“. Sie zeigten die „zynischen Einstellungen zur Angst vor Entlassung und Arbeitslosigkeit vieler Tausender von Beschäftigten in den neuen Bundesländern“.
Die am häufigsten genannten und unbeliebtesten Worte unter den Einsendungen waren „Ossi“ und „Wessi“. Auch die in der ostdeutschen Wirtschaft praktizierte und mittlerweile ersetzte „Abwicklung“ der Treuhand wurde mehrfach angeführt. Gegen das Wort „Besserwessi“, das von der Gesellschaft für Deutsche Sprache zum „Wort des Jahres“ gekürt worden war, wandten sich mehrere, ausschließlich westliche Zuschriften.
Entschiedene Ablehnung bringt der Germanistik-Professor solchen Worten entgegen, die „den Menschen zur bloßen Sache degradieren“: Das „Spielermaterial“ in der Sportberichterstattung, das „Patientengut“ im Krankenhaus oder die „Wartung“ von Pflegebedürftigen in der Fürsorge. Die Schöpfungen der Jugend beurteilt er mit Nachsicht: Wenn ältere Menschen als „Komposti“ oder „Friedhofsgemüse“ bezeichnet würden und ihnen ein „Mumienausweis“ abverlangt wird, dann sollte dies wegen der für Jugendliche typischen „grellen Kennzeichnung ihrer Umwelt“ nicht überbewertet werden.
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