Die Prager Panik-Party

■ Alle GUS-Staaten wurden übereilt in die KSZE aufgenommen

Die Prager Panik-Party Alle GUS-Staaten wurden übereilt in die KSZE aufgenommen

Vertiefung oder Erweiterung: In dieser Frage, über die etwa in der EG selbst hinsichtlich anderer westeuropäischer Staaten seit Jahren intensiv diskutiert wird, hat sich die KSZE ohne die notwendige gründliche Debatte quasi über Nacht entschieden — für eine hastige Ausweitung von 38 auf 48 Länder. Sämtliche GUS- Staaten — darunter auch die fünf zentralasiatischen— sind jetzt Mitglieder der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Georgien als Nicht-Mitglied der GUS hatte keinen Antrag gestellt. Sie hätten ja auch schon als Teilrepubliken der früheren Sowjetunion zur KSZE gehört — diese in Prag oft zu hörende Begründung ist rein formal und überzeugt nicht. Zumal ja gleichzeitig Kroatien und Slowenien, für die als Ex-Republiken Jugoslawiens dasselbe gilt, die Aufnahme verweigert wurde. Das Hauptmotiv für die konzeptionslose Flucht nach vorn ist die Furcht vor einem Anwachsen islamischer Einflüsse in den Staaten südöstlich des Ural. Insbesondere Genscher bedrängte seinen Kollegen mit dem Argument, nur mit einer schnellen Aufnahme aller GUS-Staaten in die KSZE ließe sich diesen Einflüssen vorbeugen. Tatsächlich ist die Diplomatie der KSZE überhaupt nicht auf die neue Lage vorbereitet. Die Frage, was es für die KSZE, für die Interpretation der in ihren Dokumenten festgelegten Prinzipien und damit für ihre Handlungsfähigkeit bedeutet, wenn in drei bis vier Jahren tatsächlich eines oder mehrere ihrer Mitglieder „von Teheran ferngesteuert werden“ (wie ein Diplomat in Prag formulierte), ist nicht ernsthaft diskutiert worden. Nichts hätte dagegen gesprochen, den GUS-Staaten zunächst einmal einen Beobachterstatus zu geben und über die Frage einer Mitgliedschaft beim KSZE-Gipfel im Juli in Helsinki zu befinden. Denn bei mehr als einem der Nachfolgestaaten der Sowjetunion steht in Zweifel, ob die Mindestkriterien für eine KSZE- Mitgliedschaft, besonders die Anerkennung der Menschenrechte und die Respektierung des Gewaltverbots, wirklich erfüllt sind. Die Zeit bis zur Aufnahme hätten die 38 bisherigen Mitglieder nutzen können, Mandat, Kompetenzen und Institutionen der KSZE weiter zu entwickeln und zu stärken. Dieser Prozeß, der auch schon bisher mühsam genug war, wird nun zusätzlich erschwert. Das von CSFR-Präsident Havel zur Eröffnung der Außenministerkonferenz formulierte Ziel, die KSZE zu einem völkerrechtlich verbindlichen kollektiven Sicherheitssystem zu machen, mit „Verträgen, deren Erfüllung kontrollpflichtig und deren Nichterfüllung sanktionspflichtig ist“, ist in noch weitere Ferne gerückt. Andreas Zumach