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USA schieben Boat-People nach Haiti ab

■ Oberster Gerichtshof der USA hebt Abschiebestopp auf/ Mit 150 Flüchtlingen beginnt die Deportation

Washington (wps/ips/taz) — Barfuß, die spärlichen Habseligkeiten in Plastiktüten, stiegen sie auf den Kreuzer „Steadfast“ in der US-amerikanischen Marinebasis Guantanamo auf Kuba: Die ersten 150 Flüchtlinge aus Haiti bei ihrer in Washington verfügten Zwangsdeportation. Nach 14stündiger Reise sollten sie noch gestern in ihrer Heimat eintreffen, wo seit dem Militärputsch von September 1991 Terror und Gewalt herrschen.

Der Beginn der Massenabschiebung am Samstag abend folgte auf eine Eilentscheidung des Obersten Gerichtshofes in Washington, den im November von einem Richter in Miami verhängten Abschiebestopp für haitianische Boat-People aufzuheben. Er hatte dazu geführt, daß etwa 12.000 Haitianer nunmehr in Zeltlagern auf Guantanamo leben, auf der Flucht vor den Militärs. Die US-Regierung hatte vor einem Gericht in Atlanta Berufung gegen den Abschiebestopp eingelegt.

Mehr als 14.000 Haitianer sind insgesamt von der US-Küstenwache aufgegriffen worden, viele andere dürften ertrunken oder anderswo gestrandet sein. Ende Dezember zeichnete sich ein deutlicher Rückgang der Fluchtbewegung ab. Doch letzte Woche meldete die US-Küstenwache wieder eine Zunahme: Täglich würden 500 bis 1.500 Haitianer ihr Land verlassen. 5.000 Haitianer seien in acht Tagen geflohen.

Bernard Aronson, Staatssekretär im US-Außenministerium, berichtete dem Gericht in Atlanta gar von einer Ansammlung von 20.000 Menschen auf den Stränden Haitis, die eine faktische Invasion der USA vorbereiten würden. Die Aufnahmekapazitäten Guantanamos seien erschöpft. Das Gericht veröffentlichte daraufhin am Freitag einen Beschluß, den Abschiebestopp aufzuheben — und zog ihn wenig später als „Verwaltungsfehler“ zurück. Da hatte aber bereits ein Rechtsanwalt für die Flüchtlinge Berufung beim Obersten Gerichtshof eingereicht. Dieser entschied noch am selben Abend ebenfalls, den Abschiebestopp aufzuheben.

In Haiti selbst fanden Journalisten und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen keine Anzeichen für die von Washington behauptete Vorbereitung einer Massenflucht.

Nach dem Richterspruch wollte das US-Außenministerium die ersten 150 Flüchtlinge noch am Samstag in Haiti abladen. Danach sollten die Deportationen im Rhythmus von 500 pro Tag weitergehen, um so viele wie möglich zurückzuschicken, bevor ein weiteres US-Gericht die Abschiebungen unter Hinweis auf das Asylrecht möglicherweise wieder verbieten könnte. Nach Unstimmigkeiten mit der US-Botschaft in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince, die diplomatische Probleme mit den haitianischen Behörden befürchtete, einigte man sich darauf, daß die „Steadfast“ am Sonntag aus Guantanamo in Haiti eintreffen sollte.

In Guantanamo behauptete US- Kommandant Gordon Hume, die 150 Haitianer seien alle freiwillig an Bord gekommen. Journalisten beschrieben die Stimmung in den Lagern als resigniert. Die Lager beherbergen derzeit etwa 10.000 Haitianer; 1.800 leben auf Schiffen der Marine stationiert. 3.000 Flüchtlinge durften bisher in die USA reisen, den anderen wurde Asyl verweigert. Sie dürfen nun legal nach Haiti abgeschoben werden — möglicherweise in ihren Tod.

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