: „Runde Tische“ zur Stasi?
■ Die Diskussion um Stolpe weitet sich zur Grundsatzdebatte aus/ Schmude fordert „runde Tische“ zur Stasi-Vergangenheit
Berlin (afp/ap) — Die Diskussion um die früheren Stasi-Kontakte des brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) gerät zunehmend zur Grundsatzdebatte über den Umgang mit der DDR-Vergangenheit.
Der Präses der EKD-Synode, Jürgen Schmude, kritisierte die „skandalöse Siegermentalität“ von Westdeutschen und Übersiedlern gegenüber ehemaligen DDR-Bürgern und warnte vor den Folgen für die innere Einheit Deutschlands. Der Mitbegründer der DDR-Bürgerbewegung Neues Forum, Jens Reich, wandte sich gegen Versuche aus dem Westen, „parteipolitisches Kapital aus unserer schmerzhaften Stasi-Diskussion“ zu schlagen.
Stolpe selbst rief die ostdeutschen Bürger auf, sich zu ihrer Vergangenheit zu bekennen. 45 Jahre DDR seien „keine Schande“ gewesen, sagte Stolpe. „Sie waren nur sehr viel anders als im Westen.“ Es müsse mehr Menschen geben, die sagen: „So war es, so habe ich gelebt.“ Allein aus den Stasi-Akten könne man die Wahrheit nicht herausholen. „Meine Erfahrungen der letzten zwei Wochen sind keine Ermutigung für eine sachliche und redliche Aufarbeitung der Geschichte.“
EKD-Präses Schmude kritisierte in der 'Neuen Osnabrücker Zeitung‘, die ehemaligen DDR-Bürger würden zunehmend als moralisch minderwertig und als „schlechte Deutsche“ eingestuft. „Mit einer solchen skandalösen Siegermentalität kann deutsche Einheit nicht gelingen“, warnte Schmude. Er forderte „runde Tische“ zur Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit, an denen nicht nur Opfer und Widerstandskämpfer sitzen sollten, sondern auch diejenigen, die im SED-Regime mitgewirkt hätten.
Der frühere Bürgerrechtler Jens Reich sagte dem Berliner 'Kurier am Sonntag‘, Stolpe sei „zum Sinnbild des zu zahmen Verhaltens der DDR- Bevölkerung und speziell der ,Intelligenz‘ gegen die Machthaber geworden“. Es gebe jedoch keinen Anlaß, „auf dem moralischen Podest über uns zu Gericht zu sitzen“.
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