Stahlkocher lassen nichts anbrennen

■ Einigung in letzter Minute: Tarifgleichheit für Metallverarbeitung und Stahlarbeiter

Auf der Bremer Klöckner-Hütte wird der Stahl vorerst weitergekocht. Nachdem sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Nacht von Sonntag auf Montag überraschend auf einen Tarifkompromiß geeinigt hatten, dem auch die Große Tarifkommission der IG Metall gestern zustimmte, sprechen jetzt alle Anzeichen gegen einen Arbeitskampf.

Die Stahlkocher bekommen eine einmalige Pauschale von 175 Mark plus 5,9 Prozent Lohnzuschlag rückwirkend vom 1.11.1991. Dazu erhöht sich der Ecklohn vom 1.9.92 an um 16 Pfennig auf 14,29 Mark. Ab November diesen Jahres wird er dann an den Tarif der metallverarbeitenden Industrie auf 15,42 Mark angeglichen. Diese Gleichstellung der Tarife von Metall- und Stahlindustrie war das wichtigste Verhandlungsziel der Gewerkschaften. Bislang gab es in den beiden Industriebereiche bei gleicher Arbeit unterschiedliche Tarife. Dazwischen klafften Lohndifferenzen von 1,20 Mark und mehr pro Stunde.

Offiziell muß über das jetzt vorliegende Verhandlungsergebnis erneut eine Urabstimmung entscheiden. Über 90 Prozent der Bremer Stahlkocher hatten sich nach Angaben von Klöckner-Betriebsrat Eike Hemmer für den Streik ausgesprochen. Bei der kommenden Urabstimmung reichen bereits 25 Prozent Ja-Stimmen, dann wird der Tarif angenommen. Bei Klöckner in Bremen arbeiten 6.200 Leute, von denen etwa 70 Prozent organisiert sind.

Die Bremer Gewerkschafter reagierten mit gemischten Gefühlen auf das Verhandlungsergebnis. „Viele waren stinksauer, weil sich die Politiker so massiv in die Tarifauseinandersetzungen eingemischt haben“, faßt Hemmer die Stimung auf der Hütte zusammen.

Die Forderungen der Politiker nach tarifpolitischer Enthaltsamkeit sei vielen Kollegen sauer aufgestoßen und habe erheblich zur Streikbereitschaft beigetragen. Die Tarifgleichheit zwischen Metallverarbeitung und Stahlindustrie sei aber ein wichtiger, strukturpolitischer Erfolg für die Gewerkschaften.

Mit gemischten Gefühlen reagierte auch der 1. Bevollmächtigte der IG Metall in Bremen, Manfred Muster. „Man muß bei einem Steik immer Aufwand und Ergebnis gegeneinander abwägen“, erklärte er. Bei einem Arbeitskampf hätten die Kollegen durchschnittlich 30 Prozent weniger Geld in der Tasche gehabt. Dagegen lasse sich das Ergebnis, das jetzt erzielt worden sei, gut sehen. Es sei der Gewerkschaft gelungen, „durch ihre Geschlossenheit ein strategisch wichtiges Ergebnis erzielt“ zu haben. „Ich bin mir sicher, daß die Kollegen das Ergebnis akzeptieren werden“, meinte Muster gestern, der nach anfänglichen Bauchschmerzen „jetzt ein ganz gutes Gefühl hat“.

Das Streikzelt vor dem Verwaltungsgebäude der Klöckner- Hütte bleibt aber vorerst stehen. „Wenn die Kollegen das Ergebnis annehmen, wollen wir dort wenigstens noch eine kleine Feier machen mit denen, die uns unterstützt haben“, erklärte Betriebsrat Hemmer. mad