: Multikulturelle Flummis
■ Die französische Band Mano Negra spielt heute im Metropol
Diese Band mußte einfach in Frankreich entstehen. In Frankreich, wo die Kulturen sich zwar vermischen, aber doch nebeneinanderstehen, wo Integration nicht notwendigerweise die Aufgabe der eigenen Identität bedeutet: genau daher kommen Mano Negra.
Die einzelnen Bandmitglieder stammen aus dem Mutterland, aus Spanien und Nordafrika, die Musik kommt von überall und nirgendwo und ist so eigen, wie sie eindeutige Wurzeln hat. Die aber können bei jedem Stück neu definiert werden: Chanson, Rockabilly, Ska, Punkrock, afrikanische Rhythmen, HipHop und noch einiges mehr. Die Songs sind angereichert mit Zitaten aus möglichst entgegengesetzten Stilen. Das bedeutet zum Beispiel, daß HipHop auch ohne die Kälte einer Beatbox auskommen kann und trotzdem nicht an Schärfe und Tanzbarkeit verliert.
Diese — nennen wir's — postmoderne Haltung setzt sich in den Texten fort, in denen Französisch, Spanisch und Englisch genauso willkürlich eingesetzt wird wie die Palette der Themen, die von purem Blödsinn bis hin zu politischer Ernsthaftigkeit reicht. Dabei erheben Mano Negra das Zusammensetzen der Form so radikal über den Inhalt und die Form selbst, daß den Teilen mehr Platz zum Überleben bleibt. So aufrichtig chaotisch auch die musikalische Struktur sein mag — genau deswegen kann die Band durch ihre bloße Existenz als multikultureller Schmelztiegel ein Statement sein (auch wenn dieses Statement nur darin besteht, daß die »Grande Nation« zumindest musikalisch in der Lage ist, ihre auseinanderdriftenden Rassenpole miteinander zu versöhnen). Zitierfähige Textpassagen sind dazu weder notwendig noch vorhanden, weil Mano Negra eben nichts fordern, nichts formulieren, vielmehr am lebenden Objekt praktizieren und vorleben.
Alle diese theoretischen Überlegungen werden bei einem Live-Konzert einfach weggewischt, denn Mano Negra sind schlicht und einfach die beste Fetenband der Welt. Schon deswegen, weil jeder etwas bei ihnen finden kann: ein Zitat, das ihn an vergangene Lieblingsmusiken erinnert, oder eine Anregung, etwas nie vorher Gehörtes. Auf der Bühne brodelt es dann, eine unüberschaubare Anzahl von Musikern tobt wie Flummis in südfranzösischer, provozierender Heiterkeit über die Bretter.
Der Virus ist ansteckend. Kein Konzert von Mano Negra, das nicht überaus schnell zur Party gerät. Und wenn es stimmt, daß das »Zeitalter des DJ« schon fast wieder vorbei ist und die Menschen wieder Schweiß und Spaß auf der Bühne sehen wollen (aus was für obskuren Gründen auch immer), dann werden Mano Negra vielleicht die größte Band des Universums werden. Thomas Winkler
Heute um 20 Uhr im Metropol
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