Serbischer Selbsthader

■ Die Stationierung von UNO-Truppen löst Streit zwischen Milosevic und Babic aus

Serbischer Selbsthader Die Stationierung von UNO-Truppen löst Streit zwischen Milosevic und Babic aus

Das hätte sich der selbsternannte Präsident der „Serbischen Republik Krajina“ vor einem Jahr noch nicht träumen lassen: Milan Babic, der Provinzpolitiker, ist zu einer der Schlüsselfiguren bei dem Verhandlungsprozeß im ehemaligen Jugoslawien geworden. Zweifellos verfügt der ehemalige Zahnarzt über Ansehen bei einem großen Teil der knapp 80.000 Menschen in seiner Region, die keinesfalls wieder unter die Verwaltung Kroatiens kommen wollen. Indem Babic schon vor einem Jahr den Aufbau einer eigenen Nationalgarde betrieb und im Zusammenspiel mit der jugoslawischen Armee die Region von Kroaten „säuberte“, hat er aber auch eine persönliche Machtposition gewonnen, er ist, gestützt auf seine groteske Soldateska, zum Herrscher über Tod und Leben aufgerückt. Kein Wunder also, daß er UNO- Truppen lediglich an den Demarkationslinien zulassen will, als Bewacher der Grenzen seines Staates.

Dagegen steht der serbische Präsident Milosevic vor anderen Zwängen. Der Krieg ist im Kernland unpopulär und beginnt Serbiens lahme Wirtschaft völlig zu ruinieren. Die Anerkennung Kroatiens und Sloweniens durch nunmehr 42 Staaten birgt die Gefahr der außenpolitischen Isolierung. So wurde Milosevic seinem Ruf gerecht, als geschickter Taktiker nach Auswegen zu suchen. Der Ruf nach Blauhelmen markierte den Beginn der Umorientierung seiner Politik. Erleichtert wurde sie durch eine US-amerikanische Außenpolitik, die es seit September aufgab, die Balkanpolitik allein den Europäern zu überlassen, und es fortan vermied, wie vorher üblich Milosevic als „Bolschewiken“ zu bezeichnen. Im Gegenzug ersetzte die Gefahr des „Vierten Reichs“ die Geißelung des „US-Imperialismus“ in den serbischen Medien. Heute werden die Konturen einer amerikanisch-serbischen Annäherung sichtbar. Die USA haben Kroatien und Slowenien diplomatisch nicht anerkannt und setzen auf den Bestand eines Restjugoslawiens. Im Gegenzug hat sich Milosevic verpflichtet, den Krieg in Kroatien zu stoppen und den Bestand Kroatiens nicht mehr zu negieren.

Unter diesen Bedingungen braucht nicht zu verwundern, daß die Diskussion über die Anerkennung Bosniens abgeebbt ist. Angesichts der Geheimverhandlungen zwischen Tudjman und Milosevic um die Kroaten in Bosnien, genauer die der Westherzegowina, und angesichts des gestern erfolgten Rücktritts des kroatischen Führers in Bosnien, Klujic, scheint sogar der Weg frei, diesen Teil Bosniens zu Kroatien zu schlagen. Dies würde zwar den kroatisch-serbischen Konflikt entspannen, würde aber Muslimanen und auch die Albaner in eine auswegslose Situation bringen. Immerhin ist tröstlich, daß Babic und seine Soldateska lernen müssen, daß die Entscheidung über Krieg und Frieden nicht allein in ihren Händen liegt. Erich Rathfelder