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INTERVIEWSozialdemokratischer Durchhänger beim Tempolimit

■ Trotz der neuen Debatte um die Autobahnraserei: Der Innenminister der rot-grünen Koalition in Niedersachsen, Gerhard Glogowski, sieht derzeit keine Chance für ein Tempolimit 120/ „Dauerhaft zu unterliegen bringt nichts“

Die Befürworter der Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen werden zahlreicher. Während des Deutschen Verkehrsgerichtstags in Goslar sprach sich kürzlich der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Roman Herzog, für Tempo 130 aus. Der Chef des Umweltbundesamtes, Heinrich von Lersner, plädiert für eine Höchstgeschwindigkeit von 120. Doch die SPD-regierten Bundesländer halten sich zurück.

taz: Herr Glogowski, sehen Sie im Anschluß an die Diskussion des Verkehrsgerichtstages neuen Schub für die im Herbst 1991 gescheiterte Tempo-120-Initiative der SPD?

Gerhard Glogowski: Ich sehe da in der Tat einen neuen Schub. Es wird immer deutlicher, daß wir auch in der Bundesrepublik zu einer Tempobegrenzung kommen müssen.

Bei Ihrem letzten Versuch im Bundesrat hatten Sie nicht einmal die SPD-regierten Länder Brandenburg und Rheinland-Pfalz hinter sich. Werden Sie jetzt einen neuen Anlauf für Tempo 120 wagen?

Ob die Schwierigkeiten mit beiden SPD-Ländern ausgeräumt sind, vermag ich nicht zu sagen. Aber wir werden die Diskussion weiterführen. Irgendwann werden wir zu einem Tempolimit kommen, die Frage ist nur, wann.

Rheinland-Pfalz will von Tempo 120 noch immer nichts wissen. Eine neue Bundesratsinitiative ist zur Zeit also nicht geplant?

Ad hoc erst mal nicht. Dauerhaft zu unterliegen ist zwar ehrenhaft, aber es bringt nichts.

Nur durch ein Tempolimit fahren die Raser auf den Autobahnen nicht langsamer. Was würden Sie als Chef der niedersächsischen Polizei tun, um die Höchstgeschwindigkeit von 120 durchzusetzen?

Wir müssen verschärfte Kontrollen durchführen. Aber mehr Polizei brauchen wir dafür nicht. Wir wollen ja nicht den Überwachungsstaat. Der Bürger soll sich nicht permanent durch die Polizei beobachtet fühlen.

Polizei und Gerichte sitzen mit ihren repressiven Maßnahmen doch immer am kürzeren Hebel. Die Verkehrspolitik, auch die niedersächsische, schafft durch neue und breitere Autobahnen erst die Voraussetzungen für die Raserei.

Grundsätzlich haben Sie sicherlich recht. Aber im Einzelfall geht kein Weg am Ausbau vorbei. Die Autobahn A 2 von Hannover nach Berlin muß zum Beispiel verbreitert werden, weil der West- Ost-Verkehr ganz erheblich zugenommen hat. Wir haben da jetzt schon unhaltbare Situationen. Die langfristige Lösung ist natürlich die Verlagerung des Verkehrs auf Wasser und Schiene. Interview: Hannes Koch

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