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Eiche auf dem absteigenden Ast

■ 500 Festmeter Eiche unter dem Hammer / Das Astloch als Preiskiller

Als Auktionshammer nimmt Forstrat Jochen Starke seine bloße Hand. Die haut er auf die Stuhllehne, wenn er zum Ersten-Zweiten-Dritten einen Eichenstamm versteigert hat. Den 500 Festmetern Eiche, die bei den niedersächsischen Forstämtern versteigert werden, steht meist eine Zukunft als Furnierholz bevor, was für die Qualität der Ware spricht. Das Edelholz zog in der vorigen Woche Aufkäufer aus dem ganzen Bundesgebiet zur Auktion nach Garbsen bei Hannover. Denn nur astfrei und mit sauberer Maserung schaffen sie den Weg ins deutsche Wohnzimmer — als Deckenpaneele, Türbogen oder Intarsien.

Doch das Geschäft mit der deutschen Eiche wackelt. In der Hochpreisgruppe ist Furnierholz sogar auf dem absteigenden Ast. Bernd König, Einkäufer eines fränkischen Furnier-Messer- Werks, zur Wunschware: „Das Holz soll fast so ebenmäßig aussehen wie Kunststoff.“ Fehlerfreie Stämme aber sind rar und wachsen langsam nach. Damit sie als Furnierholz in millimeterdünne Längsscheiben zerlegt werden kann, sollte eine Eiche schon ihre 250 Jahre auf dem Buckel haben. Der Deutschen liebstes Holz regiert mittlerweile in der Hochpreiskategorie nicht mehr alleine. Als Konkurrenten sind Kirsche, Nußbaum und als letzter Schrei die Elsbeere (eine Art Eberesche) angetreten - möglichst astfrei, versteht sich.

Für Erich Naumann, den Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie in Wiesbaden, ist die hölzerne Perfektionssucht der Deutschen „eine Schande“. Naumann: „Wir wollen Äste an den Bäumen haben, damit die Vöglein darauf sitzen und singen. Aber im Wohnzimmer muß alles astfrei und unter Folie sein.“ Holz sei unverwechselbar wie ein Fingerabdruck, in seiner Individualität im sonst so waldversessenen und eichenverliebten Deutschland jedoch nicht absetzbar.

So war es kein Wunder, daß einige Forstamtsleiter in Garbsen sich beklagten, „daß die Herren sich nur die Rosinen rauspicken“. Spitzenpreise von rund 6.000 oder 8.000 Mark für einen astarmen Stamm blieben auf der Wertholzversteigerung die Ausnahme. Viele Eichen fanden gar keinen Käufer oder wechselten als Sägeholz für 600 Mark ihren Besitzer. Vor drei Jahren erzielte auf der gleichen Auktion eine Bilderbucheiche 40.000 Mark.

Der makellosen „deutschen Eiche“ ist Bernd König auch im europäischen Ausland auf der Spur. Die meisten Stämme kauft der fränkische Holzprofi in Frankreich. Dort sei das Verkaufssystem viel einfacher. Von einer Fahrt bringe er 100 bis 200 Festmeter Eiche auf einmal mit nach Hause. In Garbsen erstand er gerade 50 Festmeter. Vom Holz her, so meint der Fachmann, gebe es zur französischen Ware überhaupt keinen Unterschied. In der mittleren und unteren Preiskategorie dagegen hat sich bereits die amerikanische Roteiche breit gemacht. Sie stellt mittlerweile 70 Prozent des heimischen Billigfurniers. Die Schwester aus Übersee wächst schnell und dem Zeitgeist gemäß mit wenig Ästen und regelmäßiger Maserung. Die deutsche Eiche — schon den Germanen Sinnbild für Freiheit und Kraft — kann da nicht mithalten. Nicole Baum/dpa

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