KOMMENTAR: Behörde ohne Zukunft
■ Eine Demokratie braucht keinen Verfassungsschutz
Die Geschichte des Amtes für Verfassungsschutz ist eine Chronik der Skandale: Lang ist die Liste der ausgespähten Politiker, Journalisten und Bürgerinitiativler. Auf der anderen Seite waren es Verfassungsschützer, die Straftaten im terroristischen Bereich vorbereiteten oder zumindest nicht verhinderten und — wie im Fall Ulrich Schmücker — anschließend auch noch die Tatwaffe verwchwinden ließen. Die angeworbenen informellen Mitarbeiter waren oft soziale Problemfälle, deren Ergenisse keinen Pfennig wert waren. Der begrenzte Schaden, den die Verfassungsschützer in ihrer Geschichte angerichtet haben, ist möglicherweise nur der Dummheit ihrer Mitarbeiter gedankt. Wer — wie der Verfasser — in viele Jahre lang über ihn gesammelte »Erkenntnisse« einsehen durfte, kann gleichermaßen über das miserable Niveau der Berichte und die halsbrecherischen Interpretationen erschrecken.
Wozu also ein Amt für Verfassungsschutz? Die Ämter sind in einer stabilen demokratischen Gesellschaft überflüssig. Gibt es bedrohliche Tendenzen wie im rechtsradikalen Bereich, dann werden diese eher von Demoskopen und Journalisten geortet als von den Schnarchsäcken beim Verfassungsschutz — und erfordern dann vor allem politische Antworten. Und für explizit kriminelles Handeln ist die Polizei zuständig.
Unter öffentlichem Druck wird nun die Flucht nach vorn angetreten. Man will das Amt verkleinern, aber gleichzeitig neue Aufgaben zusammenzimmern. Wenn die DDR-Aufarbeitung aber einen Sinn für die alte Bundesrepublik hat, dann wohl den, daß jede Überwachungsbehörde von Übel ist, weil sie dazu neigt, sich selber Arbeit zu verschaffen. Wenn die Republik Mangel an Ämtern hat, dann ist es eine regierungsunabhängige Behörde zum Schutz persönlicher Freiheiten. Gerd Nowakowski
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