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»Ich glaube an die Reformierbarkeit«

■ Die umstrittene Richterin Cathrin Junge macht kein Hehl aus ihrer Vergangenheit als überzeugtes SED-Mitglied

Hätte Cathrin Junge nur länger ihre Jungmädchenträume verfolgt — der großen Koalition im Abgeordnetenhaus wäre eine Menge Streß erspart geblieben. Dann wäre sie nämlich jetzt Opernsängerin und nicht Richterin und, ihre PDS- respektive Ex- SED-Mitgliedschaft wäre den Regierenden keinen Aufstand wert. Aber für eine Diva reichte ihre Stimme sehr zu ihrem Leidwesen doch nicht. Die potentielle Architektin scheiterte an mangelnden Zeichenkünsten - erst dann hat es sie zur Juristerei getrieben. »Eigentlich wollte ich nicht einmal Richterin, sondern Rechtsanwältin werden.« Jetzt hat sie den Salat.

Der schmalen 29jährigen Juristin mit den strubbeligen blonden Haaren mißfällt der Rummel um ihre Person sichtlich. Nervös spielt sie mit ihren Fingern, die nicht stillhalten wollen. Bevor sie einen Satz sagt, denkt sie erst einmal kurz nach. Wenn sie mit unsicherer Stimme versucht zu erklären, was die DDR ihr bedeutet hat (»es war doch mein Land«), glaubt man kaum, daß jemand wie sie nicht als Richterin auf die Allgemeinheit losgelassen werden soll. »Wenn es dabei um mich geht — das ist doch absurd«, sagt auch Cathrin Junge. »Aber es geht natürlich um mehr, um Demokratieverständnis, Gewaltenteilung.« Und im wesentlichen, meint sie, gehe es um ihre PDS- Mitgliedschaft. »In der SED waren doch fast alle Richter.«

Eine Widerstandskämpferin ist sie nie gewesen — das weiß sie auch. 1986 trat sie in die SED ein, »aus Überzeugung« wie sie sagt. Als die Mauer fiel, war das für sie »eine Katastrophe«. Die Eltern verschwanden über die ungarische Grenze, und für sie brach eine Welt zusammen. »Ich war immer die Rote in unserer Familie«, lacht sie. »Ich bin erst um fünf nach zwölf aufgewacht. Erst nach dem Mauerfall habe ich gesehen, daß es mit dieser Partei nicht weitergegangen wäre.«

Dann hat sie die große Wut gepackt. All die hohen Herren, die sie an der Uni jahrelang gepiesackt hätten, weil sie Westkontakte hatte, seien sofort aus der SED ausgetreten, heimlich, still und leise. Schon allein deshalb sei sie in die PDS übergetreten. »Ich glaube an die Reformierbarkeit. Und mit solchen Leuten wollte ich nicht austreten.« Wenn sie jetzt über die PDS redet, schwingt in jedem Satz auch Nostalgie mit. »Ich habe doch daran geglaubt.« Was sie sich unter demokratischem Sozialismus vorstellt, vermag sie gar nicht zu definieren. »Aber wer weiß das schon noch?«

Kontakte in den Westen hat Cathrin Junge jahrelang auf ihren Rucksackreisen geknüpft. Bis sie 23 war, trampte sie in jedem Sommer durch Osteuropa. Dort trafen sich dann Leute ihres Alters, für die BRD und DDR immer zwei Staaten waren. »Mein Gott, als ich geboren wurde, stand die Mauer doch schon.« Daß sie mit ihrem Rucksack nie gen Westen trampen durfte, hat sie natürlich gestört. Aber alles in allem hat sie auch die Notwendigkeit des Reiseverbots gesehen. »Und im westlichen Ausland war ich immer noch nicht — jetzt wegen des Geldes.«

Inzwischen ist Cathrin Junge verheiratet und hat einen fünfjährigen Sohn. Tagsüber arbeitet sie als ABM im Arbeitslosenverband Hohenschönhausen. Abends liest sie Ralph Giordano oder Simone de Beauvoir. In der DDR sei sie zur Schüchternheit erzogen worden, sagt sie, und das glaubt man ihr sofort. »In Simone de Beauvoirs Büchern lerne ich Selbstbewußtsein.« Und leise, aber bestimmt fährt sie fort »...und mein Leben nicht in eingefahrenen Bahnen zu leben.“ Jeannette Goddar

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