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Wenn Herzen zueinanderfinden

Ein Genre im Aufwind: In Paarungs-Shows findet jeder Topf seinen Deckel  ■ Von Reinhard Lüke

„Ist das nicht süüß, ... ist das nicht süüß!?“, flötete die Moderatorin. Was sie da so in Wallungen geraten ließ, waren drei erwachsene Frauen, die sich auf Spielzeugtraktoren im Wettstreit durch ein Fernsehstudio quälten, um einem heiratswilligen Landwirt ihre Ehetauglichkeit zu demonstrieren. Die Moderatorin heißt Uschi Nerke und versetzte als kesse Animateuse des legendären Beat Club Ende der Sechziger eine ganze Generation in Entzücken. Ihre aktuelle Sendung, in deren letzter Ausgabe jenes rustikale Wettrennen stattfand, heißt Brautschau (jeden Dienstag im Regionalprogramm NRW Tele West bei RTLplus zu sehen) und ist so ziemlich das Grausamste, was eine boomende Sparte der Fernsehunterhaltung derzeit zu bieten hat.

Vorbei die Zeiten, da Alleinstehende vorwiegend in akademischen Wochenblättern („Lehrer mit Sinn für alles Schöne...“) oder Szene-Magazinen („Hallo, ich bin die Gabi...“) unter verklausulierten Chiffren ihren Beziehungswillen kundtaten. Wo einst die Scham regierte, es auf dem „freien Markt“ noch nicht geschafft zu haben, gehen heute vor den Augen der Nation Singles auf Partnersuche, denen die unbändige Lebensfreude aus jedem Knopfloch quillt.

Kommt die Urmutter jenes telegenen Heiratsmarktes, Rudi Carrells Herzblatt (ARD), bis heute mit ihrem Konzept von geradezu ergreifender Schlichtheit daher, setzte die Brautschau 1991 hinsichtlich kühner Dürftigkeit bereits neue Akzente. Und seit Beginn dieses Jahres gibt es nun gleich zwei neue TV-Veranstaltungen zu bestaunen, die sich regelmäßig der Partnervermittlung annehmen. Bei Sat.1 gehen jeden Samstag zur besten Sportschau-Zeit Männlein und Weiblein unter dem Motto Herz ist Trumpf auf Partnersuche. Unter der Anleitung von Moderator Stefan Lehmann, Typ: ganz arme Socke („Lieber Sydne Rome als Paris-Dakar“), wird mittels diverser neckischer Spielchen das Traumpaar des Abends ermittelt.

Und als ob die Konkurrenzfähigkeit des Öffentlich-Rechtlichen in puncto Schwachsinn noch eines Beweises bedurft hätte, heißt es seit Januar im ZDF regelmäßig Liebe auf den ersten Blick: Sechs Teenager machen untereinander aus, wer gern mit wem möchte. Die Oberaufsicht über die Balz in der ersten Reihe führt die ehemalige SWF3-Plaudertasche Elmar Hörig, der sich in erster Linie in spätpubertären Schlüpfrigkeiten ergeht und wie zum Beweis seiner ewigen Jugend unvermittelt wilde Luftsprünge vollführt.

Die diversen Veranstaltungen zum öffentlichen Paarungswillen ausgiebig nach Originalität und Unterhaltungswert zu vergleichen, hieße in den Wettstreit Not gegen Elend einzutreten. Gravierende Unterschiede bestehen allenfalls noch hinsichtlich der „Gewinnchancen“.

Während bei Herzblatt nur ein Helikopter-Flug in einen voralpenländischen Kurort mit Fingerhakeln oder Ponyreiten lockt, steht beim ZDF zumindest ein amouröses Wochenende in Aussicht. Besser fährt da allemal, wer sein Begehren der privaten Konkurrenz zur Verfügung stellt. Die Brautschau und Herz ist Trumpf offerieren dank einschlägiger Sponsoren zumindest eine ganze Woche in sonnigen Breiten.

Aber da man bei allen Sendungen im allgemeinen wenig Einfluß drauf hat, mit wem man diese Zeit nun in inniger Zweisamkeit verbringen darf/muß, könnte sich auch hier der Vorteil schon mal ins Gegenteil verkehren. Den Zuschauern bleibt ob derartiger Komplikationen meist nur die Spekulation, da die „Erfolgskontrolle“ (hat's nun geschnackelt oder nicht?) in Form von anschließenden Befragungen oder Videofilmen in diesem Gewerbe nur von einigen Veranstaltern angeboten wird.

All denen, die diese erste Hürde mit Bravour oder auch nur Langmut genommen haben, offeriert das Fernsehen längst weitere Möglichkeiten, sich öffentlich zum Affen zu machen. Bei RTL kann in der Traumhochzeit neuerdings live geheiratet werden, und wer dann noch immer nicht genug hat, kann sich bei Michael Schanzes Flitterabend endgültig einseifen und rasieren lassen. Dem Beziehungsshow-Wesen scheinen keine Grenzen gesetzt. An willigen Kandidaten herrscht zumindest kein Mangel. Mit der „Sterben-live- Show“ wird's vermutlich noch etwas dauern, aber daß längst irgendwo am Konzept der Originalübertragung einer Hochzeitsnacht gewerkelt wird (Stellungswechsel per TED!), dürfte eine ausgemachte Sache sein.

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