: Wo bleibt der Biß?
■ betr.: "Wir werden sicherlich nach Asien gehen", taz vom 1.2.92
betr.: „Wir werden sicherlich nach Asien gehen“, Interview mit Edzard Reuter, taz vom 1.2.92
Schande über die taz! Ihr gebt dem Chef eines der größten Rüstungskonzerne („Händler des Todes“ — auf einmal kein Thema mehr für Euch?) und Produzenten eines der zerstörerischsten und umweltfeindlichsten Autos, eines der perversen „Statussymbole“ der Verantwortungslosigkeit, Gelegenheit, sich als „global denkenden“ Kosmopoliten darzustellen und das Image des Kapitals als „Träger der internationalen kulturellen Verständigung“ zu pflegen. Ein Glück, daß wenigstens die deutschen Großkonzerne, deren vorbildliche Rolle bei der Aufarbeitung der Nazizeit ja bekannt ist (siehe die russischen Zwangsarbeiter, die in Ludwigsfelde, wo das neue Werk hinkommen soll, Flugzeugmotoren für D-B gebaut haben), sich dem „politischen und wirtschaftlichen Nationalismus“ entgegenstellen. Ein Glück, daß wenigstens sie begriffen haben, was „weltweite Vernetzung“ beziehungsweise „weltweite Präsenz“ heißt: global Krisen schüren, ausbeuten und die Natur zerstören — global abkassieren... Na dann: Come together!
Kein Wort über die Auswirkungen der Konzernpolitik auf die Umwelt oder auf die „Dritte Welt“, kein Wort über die D-B-Teststrecke im Papenburger Moor und so weiter, statt dessen Gesülze über japanisch- deutsche Unternehmensstrategien, das genausogut in 'Kapital‘ stehen könnte. [...] Toni Menninger, Würzburg
Ich finde es ja gut, daß Ihr auch mit den Bonzen sprecht, aber ein Beispiel für kritischen Journalismus war dieses Interview ganz sicher nicht. [...] Wer soll denn dann noch den Mächtigen kritische Fragen stellen, wenn Ihr es auch schon nicht mehr tut. Es brauchen ja nicht ausschließlich solche Fragen zu sein, aber ich hätte es interessant gefunden, was Herr Reuter im Zusammenhang dieses Gesprächs zu der tausendfachen Verfilzung seiner Unternehmen mit Militärs in aller Welt gesagt hätte. Habt Ihr vor lauter Stolz, daß Ihr jetzt auch von Reuter&Co. für diskussionswürdig befunden seid, Eure/unsere Fragen vergessen? Dominik Haas, Ost-Berlin
Die taz ist für mich zur Zeit die akzeptabelste Tageszeitung in Deutschland. Diese Leistung wird dadurch geschmälert, daß der Medienmarkt sonst eh nicht viel Gutes zu bieten hat. Meine Kritik an der taz: Wo bleibt der Biß oder besser die „Tatze“?
Beispiel Edzard-Reuter-Interview: Schön und gut, daß Ihr den mal vorm Rohr hattet, schön und gut auch, daß ein links-rot-grüner Mensch wie ich, etwas über die Vorstellungen von Edzard Reuter zu Politik, Wirtschaft uns so weiter in der taz lesen kann, denn das spart die Extralektüre der 'FAZ‘. Aber was unterscheidet Euer Interview mit Edzard Reuter von einem zum Beispiel in der 'FAZ‘?
Neben den im Interview angesprochenen durchweg interessanten Problemen des Daimler-Konzerns und der europäischen Wirtschaft, gäbe es doch für die taz noch wichtigere Themen. Wäre doch interessant, den Edzard Reuter danach zu befragen, wie er mit weiterem Wirtschaftswachstum, Marktwirtschaft und Konkurrenz die Klimakatastrophe, die Energie- und Rohstoffprobleme dieser Erde in den Griff bekommen will? Dito zum Problem Arbeitslosigkeit. Und ist die S-Klasse von Daimler ein ernst gemeinter Beitrag zum Umweltschutz und zur Lösung der Verkehrsprobleme? Was tun gegen den Rüstungswahn, Herr Reuter? Wie können die Konzerne dazu beitragen, die Arbeitszeit gerechter zu verteilen.
Für mich sind das Überlebensfragen. Die fehlen mir in der taz und werden allzusehr von Stasi-Krümelkackerei, intellektuellem Geschwätz und linkem Nischen-Gegrübel überlagert. Eva und Manfred Guder,
West-Berlin
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