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Westimport Vogel regiert Thüringen

■ Erwartungsgemäß eindeutige Wahl/ Drittes neues Bundesland mit Politiker aus dem Westen an der Spitze

Erfurt (ap) — Knapp anderthalb Jahre nach der Landtagswahl wird Thüringen als drittes der neuen Bundesländer von einem Regierungschef aus dem Westen geführt. Der Landtag wählte am Mittwoch in Erfurt mit großer Mehrheit den 59jährigen Christdemokraten Bernhard Vogel zum neuen Ministerpräsidenten. Die Opposition nutzte die Plenarsitzung zu einer Generalabrechnung mit der CDU/FDP-Koalition, scheiterte aber mit einem Mißtrauensantrag und ihrer Forderung nach Neuwahlen.

Für den ehemaligen Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Vogel, stimmten 50 von 85 Landtagsabgeordneten. Sein Gegenkandidat, der SPD-Fraktionsvorsitzende Gerd Schuchardt, erhielt 27 Stimmen. Acht Abgeordnete enthielten sich. Vogel tritt die Nachfolge des zurückgetretenen Josef Duchac an, der die Unterstützung seiner eigenen Partei verloren hatte.

Unmittelbar nach der Wahl wurde Vogel vereidigt und forderte die Bürger des Landes auf, ihn bei seiner verantwortungsvollen Aufgabe zu unterstützen.

In langwierigen Verhandlungen hatten sich Christdemokraten und Liberale nach dem Rücktritt Duchacs auf die Fortsetzung des Regierungsbündnisses unter Vogel geeinigt. Am 11. Februar will der neugewählte Regierungschef sein Kabinett vorstellen. Vogel ist der erste deutsche Politiker, der das Amt in einem zweiten Bundesland ausübt. Nach Sachsen mit Kurt Biedenkopf und Sachsen-Anhalt mit Werner Münch steht nun mit Bernhard Vogel im dritten neuen Bundesland ein Politiker aus dem Westen an der Spitze. Lediglich die Länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern werden mit Manfred Stolpe und Alfred Gomolka noch von Ostdeutschen regiert.

Ein von der SPD eingebrachter und von den anderen Oppositionsparteien unterstützter Mißtrauensantrag gegen die zunächst noch geschäftsführend im Amt befindliche Regierung Duchac sowie die Forderung nach Neuwahlen hatten aufgrund der Mehrheitsverhältnisse keine Chance. Nach der Wahl Vogels trat die gesamte amtierende Landesregierung zurück, so daß nach Darstellung des Büros des Landtagspräsidenten eine Abstimmung über den Mißtrauensantrag hinfällig wurde.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Schuchardt erklärte in der Debatte über den Mißtrauensantrag, es seien Entscheidungen gefragt, die verhinderten, daß aus einer Regierungskrise eine Krise des ganzen Landes werde. Die SPD habe keine Vorbehalte gegen Vogel und seine rheinland-pfälzische Herkunft, hege aber Bedenken dagegen, wie den Thüringern ein Ministerpräsident übergestülpt werden solle.

Der CDU-Fraktionvorsitzende Jörg Schwäblein bezeichnete es als einen einmaligen Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik, daß ein Mißtrauensantrag gegen eine Regierung eingebracht werde, deren Ministerpräsident mit drei Ministern bereits zurückgetreten sei.

Zu Vogels westdeutscher Herkunft sagte der CDU-Fraktionschef: „Wir wehren uns gegen einen deutsch-deutschen Rassismus, der in den letzten Wochen aufgekommen ist“.

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