piwik no script img

»Keine falsche Erfolgsmeldung mehr«

■ Rund 200 Mitarbeiter der Charité bombardierten Wissenschaftssenator Manfred Erhardt im Reichstag mit Fragen über ihre Zukunft

Mitte. Die Wogen in der Charité haben sich noch nicht geglättet. Das bekam vorgestern abend vor allem Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) zu spüren. Etwa 200 Mitarbeiter der Charité waren der Einladung des CDU-Fraktionsvorsitzenden Klaus Landowsky in den Reichstag zu einer »Standortbestimmung der Charité« gefolgt. Aus dieser Diskussion wurde schnell ein Frage- und Antwortspiel über Personal und Tarife. Unklarheit herrschte auch über die Arbeit der Struktur- und Berufungskommissionen. Arbeiten sie eigentlich? fragten sich viele der Anwesenden.

Während die Politiker gerne ein »Stück der Geschichte Berlins« (Landowsky) diskutieren wollten, schließlich sei die Charité um die Jahrhundertwende die »renommierteste Medizinstätte der Welt gewesen« (Erhardt), plagen die Mitarbeiter ganz offensichtlich andere Sorgen. Vor allem sei die Klinik ein Stück Berliner Realität, das vor gewaltigen Problemen stehe, stellte Harald Mau, Dekan der Charité, klar. »Wir stehen zur Erneuerung dieser Fakultät«, so Mau. »Diese Aufgabe ist aber durch Einsparungen nicht zu bewältigen.« Wenn die Sparbeschlüsse des Berliner Senats nicht revidiert würden, drohe die Charité zu einer drittklassigen Ausbildungsstätte zu verkommen. »Erstklassige Leute kann man nur für erstklassiges Geld anwerben.«

Eine erstklassige Uniklinik sähe auch Manfred Erhardt gern. Dennoch will er die Bettenzahl von 2.000 auf 1.350 reduziert wissen — als »optimale Größe für Forschung und Lehre.« Auch der Personalbestand müsse drastisch reduziert werden. »Warum sollen denn in der Charité mehr Leute arbeiten als in der Rudolf-Virchow-Klinik und dem Uniklinikum Steglitz zusammen?« Die Mitarbeiter der Charité plagt in erster Linie die Sorge um das liebe Geld. Immer noch gebe es kein Überleitungsgesetz, beklagte einer. Ein Vertreter der Personalkommission berichtete von einer Anweisung zur Umstufung des Charité-Personals in neue Tarifgruppen, die auf dem Tisch liege, aber nach Maßgabe der Senatsverwaltung nicht ohne vorheriges Gespräch durchgesetzt werden durfte. Senator Erhardt wußte von der ganzen Angelegenheit nichts, wunderte sich und ermächtigte die Personalkommission persönlich, die Anweisung umzusetzen — für viele das wichtigste Ergebnis des Abends.

Wieder einmal Thema war auch die Stasi. Es gelte, die Existenz »paramilitärischer Verbände« in der Charité aufzuarbeiten, sagte einer. Und »wie wurde denn ein Ex-Stasi- Major eigentlich zum Stationsarzt?« Franz Braun, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU, bat die Anwesenden schließlich um etwas mehr Optimismus. »Auch Erfolgsmeldungen müssen verbreitet werden.« Harald Mau konterte prompt. »Mit falschen Erfolgsmeldungen haben wir 40 Jahre lang gearbeitet.« jgo

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen