■ A U S D E N R A T H Ä U S E R N: Maulkörbe trotz Stromausfalls
Maulkörbe trotz Stromausfalls
Einen Tag nach dem großen Stromausfall ging CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky ein Licht auf. »Nur weil mal der Strom ausfällt«, ließ der Unionschrist seine Meinung per Fax verbreiten (das Gerät funktionierte ja wieder), »ist nicht gleich alles zappenduster.«
Richtig beobachtet, wollte man ihm beipflichten. Im Rathaus Schöneberg beispielsweise sei die Arbeit in der Tat kaum unterbrochen worden, da das Notstromaggregat stampfend seine Pflicht tat. Der CDU-Fraktionschef wollte jedoch nicht seine persönlichen Privilegien hervorheben — angeblich hielt er sich ohnehin in seinem Vorstandsbüro in der Pfandbriefbank auf, und da habe der Notstrom nur für die Aufzüge gereicht. Vielmehr war dem CDU-Fraktionschef bei der Lektüre der Zeitungsberichte über den Stromausfall nichts als »Katastrophenstimmung, Elendsbekundungen und Weinerlichkeit« entgegengesprungen. »Mit so einer Einstellung«, erinnerte sich der 1942 Geborene an frühe Prüfungen, »hätten wir Blockade, Ultimatum und Mauer wohl kaum überstanden.«
Wir haben es überstanden, und damit wir den Kampfeswillen nicht verlieren, schickte uns der liebe Gott als jüngste Prüfung die große Koalition. Am Dienstag mußte sie sich zum wiederholten Mal mit einer Vorlage von Gesundheitssenator Peter Luther zum Thema »Kampfhunde« beschäftigen. Luther gelang es zwar, einen Senatsbeschluß durchzusetzen, nach dem die Zucht von Kampfhunden verboten werden und ein Maulkorbzwang für Mastinos und artverwandte Untiere eingeführt werden soll.
Von der Runde strikt abgelehnt wurde jedoch ein dazugehöriges »Berliner Programm zum Schutz der Öffentlichkeit vor gefährlichen Hunden«, das nach Luthers Vorstellung auf »sieben Säulen« ruhen sollte. Neben einer »einkommensabhängigen, nach Gefahrenklassen gestaffelten Hundesteuer« hatte der Senator auch ein Merkblatt für Hundehalter geplant und wollte außerdem »die Zahl der Bißvorfälle« ermitteln, »unterteilt nach Rassemerkmalen, Schaden bzw. Verletzungsgrad nach einheitlichem amtlichen Muster«.
Luthers bürokratischer Eifer rief in der Senatsrunde im Roten Rathaus nicht etwa Begeisterung, sondern helles Entsetzen hervor. Der CDU- nahe Innensenator Dieter Heckelmann schlug die Hände über dem Kopf zusammen, die Debatte glitt ab in Stammtischscherze. Der arme Gesundheitssenator konnte sich nicht mal mit seinem erfolgreich durchgefochtenen Maulkorbzwang trösten. Gegen den gebe es in seinem eigenen Haus nach wie vor »rechtliche Bedenken«, heißt es dort. Das von den Veterinärmedizinern der Behörde erarbeitete Anti-Hunde-Programm stoße auf den heftigen Widerstand der Senatstierschützer.Hans-Martin Tillack
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