: „Weltlich unableitbar“
■ „Streitfall“ — ZDF, Do. 22.15 Uhr
Doppelpremiere im ZDF: Zum ersten Mal präsentierte der in Ungnade gefallene frühere Bonner ZDF-Korrespondent Wolfgang Herles seine neue Diskussionssendung Streitfall. Und ebenfalls zum ersten Mal konnte der in Ungnade gefallene Paderborner Noch-Priester Eugen Drewermann seine Thesen über anachronistische Dogmen und die „kollektive Zwangsneurose“ der Kirche öffentlich mit einem veritablen katholischen Bischof erörtern. Drewermanns Hauptwidersacher, der Paderborner Erzbischof Degenhardt, hatte offenbar gekniffen. Für ihn kletterte der schwäbische Kleingeist und Bischof Walter Kasper in den Ring, der mit zusammengekniffenen Augen, schräg gestelltem Kopf und gelegentlich alttestamentarischem Grinsen eine erbärmliche Figur abgab. Ketzer Drewermann, im bunten Ringelpullover mit seinem bekannt-sanften Augenaufschlag, dem leisen, warm-spiritualistischen Tonfall und der glänzenden Rhetorik, hatte den restvernunftbegabten Teil der Zuschauer spätestens nach der Auferstehungsrunde auf seiner Seite. Ob denn Jesus tatsächlich leiblich-biologisch auferstanden sei und quasi wie ein Raumfahrer gen Himmel gedüst ist, wollte Herles vom Bischof wissen. Da war's dann schon zu Ende mit der bischöflichen Weisheit. Auch um die Jungfrauengeburt mogelte sich Kasper herum. Auferstehung und Geburt Jesu sind für ihn „weltlich unableitbare gnädige“ Ereignisse, „ein Geschehen, das nicht aus dieser Welt kommt“. Daß auch der Bischof irgendwie nicht ganz aus dieser Welt kommt, wurde zunehmend klarer. Seine Antwort auf die gesammelten Ungereimtheiten der Bibelauslegung: „Wir sollten das Neue Testament stehen lassen, wie es dasteht.“ Amen.
Drewermann, der gute Mensch aus Paderborn, mußte sich dann fragen lassen, warum er eigentlich in diesem Horror-Verein von katholischer Kirche unbedingt Mitglied sein wolle, und er blieb zumindest an diesem Punkt um eine gute Antwort verlegen. Daß ihm diese Frage „zu billig“ ist, reicht nicht. Ansonsten bestachen einmal mehr die Integrität und das soziale Engagement Drewermanns, sein ernsthafter Versuch, die Bibel zeitgemäß zu interpretieren und sie vor dem Gespött zu retten, dem sie in ihrer alten Auslegung längst schon ausgeliefert ist. Es ist keine Frage, daß die katholische Kirche mit ihm ihren Besten vor die Türe setzt.
Zu bedauern ist, daß im Publikum nur Kirchenleute saßen, deren Beiträge deutlich an pastoralem Duktus und theologischer Weltfremdheit litten. Moderator Herles konnte ebensowenig überzeugen, er blieb letztlich nervöser Stichwortgeber. Trotz einer ganzen Stunde Sendezeit wirkte der Streitfall seltsam gehetzt. Das schönste Zitat zum Schluß: „Die Verhältnisse in Rom stinken bis nach Paderborn.“ Manfred Kriener
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