MIT NORD-SÜD-KONFERENZEN AUF DU UND DU
: Wer darf was beschließen?

■ UN-Entwicklungskonferenz sucht nach neuer Identität

Cartagena/Genf (taz) — Das einstmals wichtigste Forum der Nord-Süd-Auseinandersetzung, die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (Unctad), ist spätstens seit dem Ausbruch der Schuldenkrise zu einem Schattendasein im System der internationalen Organisationen verdammt. Dies zu ändern, ist ein Anspruch, den die Entwicklungsländer an die 8. Unctad-Konferenz geknüpft haben, die heute bis 25.Februar in Cartagena de Indias/Kolumbien stattfindet.

Die 169 Mitgliedstaaten der Mammutkonferenz, die seit 1964 mit dem Ziel ökonomischer Integration der Dritten Welt alle vier Jahre veranstaltet wird, stellen sich vor allem eine Frage: Welche Verhandlungsfunktion bleibt Unctad überhaupt noch, wenn die Verhandlungen zum Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (Gatt: „General Agreement on Trade and Tarifs“) in die Bildung einer multilateralen Handelsorganisation münden? Außerdem arbeiten viele Entwicklungsländer inzwischen lieber mit der Weltbank zusammen, die Kredite vergeben kann, wo die Unctad nur technische Hilfe anbietet. Die Industrieländer lehnen eine Stärkung des Mandats von Unctad rundweg ab. Geht es nach der Europäischen Gemeinschaft, so soll Unctad künftig auf eine Rolle als „Forum des Dialogs und der Orientierung“ zurückgestutzt werden — vergleichbar mit dem Beratungsgremium der Industrieländer OECD.

Die in der Gruppe der 77 zusammengeschlossenen 128 Entwicklungsländer bestehen in ihrer Ausgangsposition zwar darauf, am Mandat von Unctad zur Aushandlung verbindlicher Abkommen festzuhalten. Es stellt sich aber die Frage, wie ernst dies gemeint ist: Einige der G77-Staaten haben sich, mit einem gewissen Erfolg, auf marktwirtschaftliche Reformen eingelassen und orientieren sich weniger an gemeinsamen Perspektiven für den Süden.

Mehr noch als die G77-Erklärung verdeutlicht der vom Genfer Unctad-Sekretariat vorgelegte Entwurfstext für die Cartagena-Erklärung, wie weit die Kompromißbereitschaft gezwungenermaßen reicht. An erster Stelle wird hier auf „die wachsende Anerkennung der Bedeutung des Marktsystems und eines starken privaten Sektors“ hingewiesen.

Unctad 8 wird voraussichtlich nicht einmal einen Beitrag zur Einschätzung der Bedeutung und des Gatt für die Entwicklungsländer leisten. Heute, so befürchtet auch Myriam Vander Stichele von der „Internatinal Coalition for Development Action“ (ICDA), spielt die Unctad bei der Neustrukturierung des Welthandels keine Rolle mehr.

Kritiker wenden außerdem ein, daß der überkommene, auf Wachstum orientierte Entwicklungsbegriff nicht in Frage gestellt wird. Das Unctad-Sekretariat hat vorgeschlagen, die Arbeit der Organisation in dieser Hinsicht auf drei Punkte zu konzentrieren: Einen Beitrag zur Harmonisierung von Umweltbelangen mit den internationalen Handelsregimen zu leisten, zusätzliche finanzielle Ressourcen für Umweltaufgaben in der Dritten Welt zu mobilisieren, und den Zugang der Entwicklungsländer zu umweltverträglicher Technologie zu fördern.