Fast zügellos

■ Western-Turnier auf dem Pferdesport-Festival / ZuschauerInnen begeistert

Auge in Auge, wie zwei Basketballspieler, belauern sie sich: Ein Rind, nichts anderes im Sinn, als wieder zu seiner Herde zurückzukommen, und ein Quarter-Horse, nichts anderes im Sinn, als das Rind genau daran zu hindern. Mit handball-bundesliga-reifen Aktionen täuscht das Rind links an, will rechts vorbei — keine Chance, Gewichtsverlagerung links und rechts, ein paar Galoppsprünge - das Pferd war vorher da. Und währenddessen sitzt der Reiter, die Zügel lose in der Hand, im Sattel und sieht zu, daß er nicht herunterfällt.

Spektakuläre Aktionen waren beim Western-Turnier, das am Freitag auf dem Bremer Pferdesport-Festival ausgetragen wurde, vorprogrammiert. Eine 20köpfige Rinderherde wurde eigens in die Stadthalle verfrachtet, um die Wurzel allen Westernreitens vorführen zu können: Beim „Cutting“, der Rinderarbeit, beweisen die Quarter Horses ihren berühmten „Cow sense“. Fast ohne Hilfen des Reiters arbeiten die muskelbepackten, mittelgroßen Pferde von ganz alleine mit den Rindern. Jede gelungene Aktion wurde von den etwa 600 ZuschauerInnen in der Nebenhalle, zum großen Teil mit Cowboyhut und -stiefeln ausgerüstet, begeistert bejubelt.

Das Westernreiten wird in Deutschland immer beliebter, doch laufen hierzulande die Rinderherden einfach nicht mehr frei in der Prärie herum — und so zahlte sich beim „Cutting“ noch einmal die größere Erfahrung aus: Souveräner Sieger wurde der extra eingeflogene Kanadier Gary Coleman mit seinem „Doc Royal Lancer.“

Rasante Stops aus vollem Lauf, fliegende Galoppwechsel und schnelle Drehungen waren beim „Reining“ zu bestaunen. Etwas merkwürdig sieht es schon aus, wenn die ReiterInnen dabei einen Arm immer so halten, als wenn er gebrochen in der Schlinge läge. Doch gerade hier wird der Unterschied zur konventionellen Reiterei deutlich: Während da in der Versammlung mit kurzem Zügel bei jedem Schritt fünf Hilfen gegeben werden, signalisiert die einhändige, lockere Zügelhaltung: Der Reiter gibt dem Pferd dann Hilfen, wenn er etwas von ihm will — ansonsten erfüllt es seine Aufgabe, ohne permanent angetrieben zu werden.

„Die machen da so Tore auf und zu...“ Etwas ratlos ging eine verirrte Zuschauerin wieder in Halle 1 zu den vertrauten Bildern der SpringreiterInnen zurück. Der Reiz eines „Trail“-Parcours erschließt sich für Nicht-Pferdemenschen nicht leicht. Beim „Trail“ werden Hindernisse aufgebaut, die einem während eines Geländerittes begegnen können: Das Tor zu einem Rindergatter muß vom Pferd aus geöffnet und geschlossen werden, das Gatter durchritten, ohne daß ein Rind entwischt. Ein eineinhalb Meter breites Holzbrett stellt eine Brücke dar — von alleine muß das Pferd während einer Pause stehenbleiben. Wer zappelige, nervöse Pferde kennt, die bei der kleinsten ungewohnten Bewegung scheuen und um nichts in der Welt über klappernde Bretter gehen würden, kann die Leistung dieser Pferde und ihrer ReiterInnen ermessen.

Für das nächste Jahr gibt es Überlegungen, das Westernturnier in der großen Halle stattfinden zu lassen. „Das hat Zukunft“, prophezeite gestern auch der klassische Dressurreiter Jean Bemelmans, der dieser anderen Art der Reiterei ganz offen gegenübersteht: „Die Westernreiter bekommen immer mehr Zuschauer, und wir reiten oft vor leeren Rängen.“ skai