: Burn-Time 10 Min.
■ Ozonloch im ZDF, Freitag 21.15 Uhr
Es gehört zur Logik des Nachrichtengeschäftes, daß eine Meldung immer nur so viel wert ist, wie sie Neuigkeiten bringt. Wenn die Australier nun schon seit Jahren unter verstärktem UV-Beschuß vor sich hin brutzeln, so ist das —nachrichtentechnisch gesehen— die reine Alltäglichkeit. Reißt die Stratosphäre dagegen plötzlich auch über der Nordhalbkugel auf, so ist das eine „brandheiße News“. Ozonloch über Europa! schlaglichterte die Schreckensmeldung dann auch durch alle Medien. Forscher der NASA und der EG hatten Anfang letzter Woche bestätigt, was wir eigentlich immer schon wußten: Das Ozonkiller-Gas FCKW hat auch über der nördlichen Hemisphäre ein Loch ins UV-Schutzschild gefressen.
Das ZDF bewies Sinn für Aktualität und widmete dem Ozon eine Sondersendung. Die Präsentationsform war zwar konventionell, dafür aber waren die Fakten und Hintergründe gründlich aufgearbeitet. Es ist ein echtes Verdienst der Redaktion, einmal deutlich gesagt zu haben, daß nicht nur dringendster „Handlungsbedarf“ besteht, sondern daß eigentlich jede Hilfe zu spät kommt. Selbst durch einen sofortigen Stopp der FCKW-Produktion sind die Löcher im Ozon nicht mehr zu flicken. Denn allein der derzeitige Treibgas-Vorrat in der Atmosphäre reicht für 60 weitere Jahre Ozon-Vernichtung. Und wo das Ozon schwindet, da wuchern die Melanome. Dazu der interviewte Dermatologe: „Ein Prozent weniger Ozonschicht macht drei Prozent mehr Hautkrebs.“ Angesichts derartiger Prognosen nehmen sich die offiziellen Bemühungen allenfalls rührend aus: Riesenhuber und Töpfer brüsten sich damit, daß die Bundesrepublik den Ausstieg aus der FCKW-Produktion „schon“ bis 1995 geschafft haben will. Die Industrie sucht verzweifelt Ersatz, produziert aber einstweilen munter weiter. Da könnte doch fast Optimismus aufkommen! Zumindest die Bekleidungsindustrie sollte sich auf eine steigende Nachfrage nach modegerechten Schutzanzügen einrichten. Die „Burn-Times“ erfahren wir dann — wie in der Sendung schon mal geprobt — vom gutgelaunten ZDF- Wetterfrosch: „Über ganz Deutschland strahlender Sonnenschein, die empfohlene maximale Verweildauer im Freien liegt bei zehn Minuten...“ Martin Muser
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