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Behälter mit Flüssigkeiten

„Schmutz und Sauberkeit“: eine Ausstellung des Museums für Gestaltung in Basel  ■ Von Friederike Kretzen

Schmutziges Wasser kann sauberer sein, als man zu sehen glaubt, und sauberes Wasser kann schmutziger sein, als man sieht. Das liegt daran, daß schmutziges Wasser eben so aussieht und sauberes Wasser auch. So. Damit hätten wir auch schon die Moral von Schmutz und Sauberkeit, einer Ausstellung des Museums für Gestaltung in Basel für Vier- bis Neunzigjährige.

Der Direktor des Museums, Bruno Haldner, aber dementiert sofort und sagt: Sie hätten es sich auch einfach machen und behaupten können, das ist Weihwasser, dabei ist es gar keins — doch nein, es ist Weihwasser, von ihnen selbst an dem Ort beschafft, für den das Wasser steht — bei Gott womöglich? Ja bitte, kann man das nicht sehen? Kann man, kann man, ich habe einen der Museumsangestellten schnell aus der Tür entwischen und in der Drogerie nebenan eine Flasche Palmoliv-Badesaft kaufen gesehen. Den konnte man dann in einem aquariumartigen Wasserbehälter bläulich schwappend in Wasser gelöst bewundern, genannt: Badewasser, unter der Rubrik: gelöstes Wasser. So ganz und gar geordnet geht es zu in der Ausstellung — bis auf ein, zwei Ausnahmen entkommt man dem pseudo-wissenschaftlichen, sauberen Rahmen des Labors und des Museums nicht.

Ist das Thema Schmutz und Sauberkeit also eine Frage der Authentizität? Eine Frage der Verbindlichkeit gegenüber dem Thema ist es allemal. Und wo diese nicht wahrgenommen wird, beginnen da die schmutzigen Geschäfte oder die schmutzigen Gedanken? Und die Ausstellungen, die das Reinwaschen von schmutzigen Geschäften und schlechten Gedanken betreiben? Eigenlob stinkt, hat man mir als Kind so fest eingeprägt, daß ich es noch immer glaube. Wie selbstherrlich in dieser Ausstellung ein schön klingender Titel auf eine biedere, halbherzige Idee runtergewürgt worden ist, das kann man sich ansehen — es ist sichtbar geworden. Und stinkt. Einmal mehr. Und ob das Weihwasser nun wirklich geweihtes Wasser ist oder nicht, werde ich nie sehen können. Doch ob jemand sich etwas gedacht hat, um der Komplexität des Reflektionsfelds entsprechende Darstellungsweisen und Konzepte der Sichtbarmachung zu entwickeln, das kann ich sehen.

Sichtbar sind zudem noch viele Behälter mit Wasser, auf die unterschiedlichste Art gefärbt, vermischt, stillgestellt oder bewegt, so daß es angebracht gewesen wäre, die Ausstellung „Behälter mit Flüssigkeiten“ zu nennen.

Das mit der Unsichtbarkeit vom Schmutz im Wasser hatten wir ja schon. Mit dem Gift ist es auch so. Doch was färbt das Wasser wohl so blau oder so gelb oder rosa? Nachzulesen an der Wand, vorher bitte raten, das soll Spaß machen. Viele, viele Reagenzgläser hängen seitlich an einem Riesenrohr, das durch den langen Saal weist, die kleinen Gläschen alle voll verschiedener Wasserfarben — und es sei hier angemerkt, daß solch riesig-prächtig ragendes Objekt, diesmal in Anlehnung an ein Reagenzglas ein Rohr, in jeder der letzten Ausstellungen zu sehen war — und das zum Empfang in eben diesem gleichen Raum, ist doch was Feines, so 'ne weitreichend lange Selbstprojektion. Und wohin zeigt sie? Ins enge Kabuff dahinter mit dem trüben Wasser — wehe dem also, der Symbole sieht, Beckett wußte, wovon er spricht.

Es geht aber noch weiter — die gemischten Wasser, die faulen Wasser, die sich, sage und staune, selbst reinigen können, die Wasser mit geringsten Konzentrationen an Gift, nach homöopathischer Rezeptur, und die anderen, wo Gift Gift bleibt. Dann gibt es noch ein paar Insekten, die auf Nadeln gespickt im Wasser schwimmen, um zu zeigen, wie sauber in Wirklichkeit das Wasser ist, und je dreckiger das Wasser, um so mieser die Fische beziehungsweise Muscheln und Schnecken und Algen, die darin noch aushalten. Ein schöner skulpturartiger Aufbau zeigt die durchschnittliche tägliche Wasserverbrauchsmenge der Basler Bürger von 365Litern in Plastikkanistern abgefüllt und wie Nährlösungen am Patientenbett aufgehängt, sehen aus wie Honigsäcke — und darunter steht ein Reagenzglas mit der Restasche, die bleibt, wenn der Klärschlamm, den diese 365Liter produzieren, verbrannt worden ist. Moral aber von dieser Skulptur: Spare Wasser und sei umweltbewußt. Bei der Ciba Geigy und der Sandoz zum Beispiel sind sie es nämlich. Wie es in deren Laboratorien aussieht, wird auch gezeigt — schöne Meßgeräte, mit denen man dem Schein von Schmutz und Sauberkeit auf den Grund geht. Kritik daran etwa? Ach woher. Denn wie der Direktor des Museums sagte: Wir leben hier in Basel, einer Stadt der Grenzwerte.

Im Zimmer daneben eine schöne Wippe. Auf der einen Seite läuft durch einen Hahn Wasser aus einem Eimer, fließt auf ein Aluminiumblech und durch einen Schlauch auf der anderen Seite wieder hoch in einen Eimer, wo die gleiche Wassermenge einfach über den Eimerrand schwappt. Auf die Frage, was das bedeutete, sagte der Direktor: Nichts. Was ich schade fand.

Zuletzt noch das authentische Weihwasser, richtig aus der Kirche und mit Gott und Salz drin, und das Kölnische Wasser, was nicht das Parfüm meint, sondern eines der reinsten Wasser, das sie unterm Kölner Dom gefunden haben, eine Grabbeilage aus dem 6.Jahrhundert für einen fünfjährigen Jungen. Und siehe, sein Schiffchen ist gesunken, und der Schmutz der Jahrhunderte hat der Reinheit seiner Grabbeilage keinen Abbruch getan. Prost.

Doch halt, noch eins: Ich frage mich seit einiger Zeit, wo das Museum für Gestaltung seine tollen Texterinnen und Texter herhat und dann gleich wieder so schnell verschwinden läßt, denn was auf der Ebene des Titels auftaucht, verspricht viel: eine genaue, re-konstruierende Analyse des Umgangs mit den Dingen, eine Erarbeitung der Dimension, die das Herzzerreißende der Dinge und den Umgang mit ihnen ausmacht. Doch die Ausstellungen — seien es die zum Thema Wetter, Licht, Sprechende Gegenstände oder Nicht einen Franken wert — haben sich an diese Dimension nicht nur nicht rangewagt, sondern sie gar nicht als Möglichkeit begriffen.

Schmutz und Sauberkeit. Museum für Gestaltung, Basel. Bis zum 16.Februar.

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