Ressorts uneinig über Drogen-Polizeieinsätze

■ Hoppensack: Polizei kam „zu schnell“ / van Nispen: Sozialbehörde „ohne politische Führung“

Bitte den Herrn mit dem offenen Hemd

Hoppensack: Polizeieinsatz zu schnell

Die für die Drogenhilfe zuständigen Ressorts (Soziales und Gesundheit) haben von dem Beginn der polizeilichen Aktionen gegen Drogenabhängige am Sielwall- Eck nichts gewußt. Zwar war am 17. Januar inm einem „Chefgespräch“ grundsätzliche Einigkeit über eine deutlichere Polizeipräsenz im Steintor erzielt worden. Wie dies aber drei Tage später mit massivem Polizeiaufgebot begann, kam „für uns zu schnell“, erklärte gestern der Staatsrat des Sozialressorts, Hoppensack, vor Journalisten. Für den Vertreter des Gesundheitsressorts, Gerd

Schöfer, ist bis heute die Frage offen, wie weit die „Beeinträchtigung der Abhängigen“ gehen solle. Wenn man vorher informiert gewesen wäre, hätte man Details vielleicht besser abstimmen und insbesondere die Öffentlichkeit vorbereiten können, erklärten Vertreter des Sozial- wie Gesundheitsressorts.

Innensenator van Nispen habe offenbar, um sich in den ersten 100 Tagen zu profilieren, so überstürzt reagiert, mutmaßt Hoppensack. Van Nispen läßt derartiges nicht auf sich sitzen: Er sei davon ausgegangen, „daß die anderen Kollegen nachziehen und mit ihren Angeboten und Maßnahmen auch in die Gänge kommen“, erklärte er. „Das mag vielleich im Sozial- oder Gesundheitsressort schwieriger sein, wo die politische Führung noch fehlt.“

Um sich gegen den Vorwurf zu wehren, die repressiven Maßnahmen nicht angemessen mit der Dezentralisierung der Hilfen zu begleiten, breitete das Sozialressort noch einmal die Palette der Maßnahmen aus dem „Drogenhilfeplan '90“ aus. Konkrete Angebote für das verelendete Milieu, das von seinem Treffpunkt am Sielwall vertrieben wurde, fehlen allerdings. „In diesem Jahr noch“, so der Drogenbeauftragte van der Upwich, soll es außerhalb des Viertels eine erste Drogenberatungsstelle geben, insgesamt vier hält er für notwendig. Auch „in diesem Jahr“ soll es eine Unterkunft für wohnungslose Drogenabhängige geben, wo diese nicht morgens um 10 Uhr rausgeschmissen werden, sondern Aufenthaltsangebote zumindest zu Mittag haben.

Vollends uneinig sind die Bremer Ressorts drei Wochen nach dem Beginn der Polizeieinsätze immer noch zum Thema „Spritzen“. Die Gesundheitsbehörde fi

Bitte den Herrn mit Schlips

van Nispen: Politische Führung fehltFoto: Oberheide

nanziert Hilfsangebote, um Drogenabhängige zu motivieren, sterile neue Spritzen zu benutzen und die alten gegen neue zu tauschen. Die Polizei unterzieht aber Drogenabhängige im Umkreis der Spritzenautomaten regelmäßiger Kontrollen und konfisziert gebrauchte Spritzen. Resultat: Der Automaten-Verkauf steriler Spritzen ging um ca. 40 Prozent zurück, der Besuch der Tausch- Stelle in der Weberstraße ging spürbar zurück. Innensenator van Nispen hatte in dem taz-Streitgespräch am Freitag (vgl. Seite 22) dazu gesagt: „Ich habe sehr viel Verständnis dafür, daß ein Polizeibeamter, der einen Verdächtigen untersucht, dem als erstes die

Spritze wegnimmt.“

Bei dem Pressetermin am Montag erklärte der Vertreter der Gesundheitsbehörde, Schöfer, daß seines Wissens das Wegnehmen der Spritzen nur im Übereifer in den ersten Tagen passierte. Der Drogenbeauftragte Guus van der Upwich (Sozialbehörde) verstand das Problem gar nicht: „Was ist schlimm daran, wenn die Polizei gebrauchte Spritzen wegnimmt?“ Staatsrat Hoppensack überbrückte den Ressort-Konflikt mit dem Vorschlag, die Polizei könne ja der Spritzentausch übernehmen und, wenn sie gebrauchte Spritzen konfisziert, den Drogenabhängigen dafür neue, sterile geben. K.W.