Anschlag auf das Umweltbewußtsein

■ Schwere Versäumnisse beim geplanten Umweltverträglichkeitsgesetz/ Verwaltungen brauchen weiterhin keine Rücksicht auf die Umwelt nehmen

Berlin. Die beiden Gesetzentwürfe über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterscheiden sich wie Tag und Nacht. In dem Vorschlag der damaligen Umweltsenatorin Michaele Schreyer (AL) hieß es noch, »Maßnahmen der Verwaltung werden auf ihre Umweltverträglichkeit geprüft«, und es folgte eine detaillierte Aufzählung, welche Handlungen gemeint sind. In dem jetzigen Entwurf von Umweltsenator Volker Hassemer (CDU) steht lapidar: »Soweit eine UVP durchzuführen ist, richtet sich das Verfahren nach den Vorschriften des [Anm. d. Red.: Bundes-]Gesetzes.«

Doch das Bundesgesetz regelt nur die Prüfung der Umweltverträglichkeit von Großprojekten wie Atomkraftwerken, Stahlhütten, Kühltürmen oder etwa Müllverbrennungsanlagen. Die Untersuchung kleinerer Vorhaben wie etwa der Bau einer Straßenbahn oder Gasleitung bleibt Ländersache — und den Landesregierungen bleibt auch ausdrücklich überlassen, die Öko-Prüfung auf sogenannte Kann-Projekte auszuweiten.

Der Umweltsenator habe versäumt, das Gesetz auf kommunaler Ebene zu nutzen, rügt Claudia Schulze, wissenschaftliche Mitarbeiterin im BUND. In dem CDU- Entwurf »steht nichts drinne«. Die Umweltverwaltung komme nur ihrer Pflicht nach, mit der Vereinheitlichung des EG-Binnenmarktes ein UVP-Gesetz auf Landesebene zu schaffen. Noch nicht einmal die Umweltverbände würden an dem Prüfverfahren beteiligt.

Michaele Schreyer nutzte 1989 dagegen die juristische Freiheit, Verwaltungen einem ökologischen Denken zu unterwerfen. Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Pläne und Programme, Verträge, Baumaßnahmen, Beschaffungen und selbst die Abfallentsorgung hätten auf die Auswirkung auf »Menschen, Tiere und Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft« untersucht werden müssen.

Schädliche Umweltauswirkungen hätten möglichst ausgeschlossen, für Bauvorhaben möglicherweise andere Standorte gewählt werden müssen. Bei Investitionsvorhaben von über einer halben Milliarde Mark hätte gar die Öffentlichkeit ein Wörtchen zum Thema Umwelt mitreden dürfen. Die Vorlage der AL- Senatorin wurde jedoch nie beschlossen.

Am Donnerstag in einer Woche läßt sich der Umweltausschuß des Abgeordnetenhauses von Experten über die Hassemer-Vorlage beraten. Vier Tage später wollen die Abgeordneten dann das Gesetz ihren Vorstellungen entsprechend ändern, um dann zuzustimmen.

Auch wenn das Berliner UVP-Gesetz bereits die erste Lesung passiert habe, »ist noch nichts beschlossen«, glaubt Wolfgang Behrendt, umweltpolitischer Sprecher der SPD. Sein Eindruck sei ebenfalls der, daß in dem Juristenwerk nur das Nötigste bedacht worden sei.

Hartwig Berger, umweltpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/ Grüne verweist darauf, daß 60 Städte — unter anderem Freiburg, Karlsruhe und Hannover — Verwaltungshandeln längst einer ökologischen Selbstkontrolle unterworfen hätten. Dirk Wildt